Gangs

In den achtziger und frühen neunziger Jahren war der Lebensinhalt der meisten afro-amerikanischen Jugendlichen in den Großstädten vorrangig an den Streetgangs ausgerichtet, die durch einen sonst nicht gegebenen Gruppenzusammenhalt einen der letzten Bezugspunkte in einer vielfach haltlosen Umwelt bilden. Zudem bieten sie den Jugendlichen in den Ghettos durch gemeinsame kriminelle Aktivitäten eine der wenigen Möglichkeiten zu Geld zu kommen.

Innerhalb der Gangs, wie auch im Verhältnis zu anderen, gilt das Recht des Stärkeren. Mädchen und Frauen stehen in der Gruppenhierarchie zumeist ganz unten.

Die Auseinandersetzungen zwischen den Gangs haben sich inzwischen in einem für europäische Verhältnisse noch kaum vorstellbaren Maße zugespitzt. In den us-amerikanischen Großstädten kommt es dabei jährlich zu mehreren tausend Toten, so sterben in Los Angeles im Zusammenhang mit den Kämpfen der Streetgangs jährlich durchschnittlich 700 Menschen. Noch vor AIDS ist Mord die überwiegende Todesursache von schwarzen Jugendlichen.

Meist geht es bei den Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in einem bestimmten Revier, um Drogengeschäfte oder einfach um eine Möglichkeit, den unterdrückten Energien freien Lauf zu lassen.

Das herrschende Leistungs- und Konkurrenzprinzip wird dabei auf den reinen Überlebenskampf reduziert. Zwangsläufig bestimmt offene Gewalt den Alltag.

Die eigentliche Ursache für die innere Frustration und die Perspektivlosigkeit bzw. für die Situation, welche die Kämpfe der Gangs bedingt, bleibt dabei zumeist unerkannt und dementsprechend unangetastet. Im Grunde ist die Subkultur der Streetgangs nichts anderes als ein verkleinertes Abbild der us-amerikanischen Gesellschaft bzw. eine Folge des patriarchal-kapitalistischen Systems, welches ein gleichberechtigtes und solidarisches Leben nicht zuläßt. Gleichzeitig entsprechen sie in ihrer Ausrichtung den unzähligen TV-Serien, die materiellen Reichtum als höchstes Ziel definieren, sowie ein gewalttätiges Vorgehen als Mittel zur Durchsetzung persönlicher Ziele und sexistische Verhaltensnormen als selbstverständlich darstellen. Dennoch liegt auch den Streetgangs eine Verweigerungshaltung zugrunde, die sich unter bestimmten Bedingungen politisch entfalten kann wie das Beispiel der Black Panthers zeigte.

Nach der Kommerzialisierung der Hip Hop- Kultur folgte eine Phase der musikalischen Stagnation, die um 1984 unter anderem durch die Band Run DMC und deren Verbindung von Heavy Metal und HipHop aufgehoben wurde. In Folge kam eine neue Generation von vielfältig ausgerichteten HipHop-Bands, wobei die inhaltlichen Aussagen eine wachsende Bedeutung erhielten. In ihrer Gesamtheit wurden die RapperInnen zum wichtigsten Sprachrohr der Jugend aus den schwarzen Ghettos und erhielten gleichzeitig einen Einfluß, der teilweise den von Eltern, LehrerInnen und PolitikerInnen um ein vielfaches übertraf.

Nachdem HipHop auch bei weißen Jugendlichen eine zunehmende Popularität erlangte, nahm der Druck reaktionärer Organisationen wie der Elternvereinigung Parents’ Music Resource Center zu. Dies führte zu einer Kennzeichnung von Veröffentlichungen mit einem angeblich jugendgefährdenden Inhalt durch den Aufdruck „Parental Advisory Explicit Lyrics“ („Elterlicher Hinweis: Explizite Texte“). Dazu gehören unter anderem radikale politische Aussagen, eine offene Darstellung sexueller Handlungen oder auch die unverschleierte Beschreibung des Alltags in den Ghettos. Bald darauf trat jedoch eine gegenteilige Wirkung ein, da viele Jugendliche den Aufdruck als ein Qualitätsmerkmal verstanden. Zunehmend spiegelten sich die Auseinandersetzungen der Streetgangs auch in der Hip Hop- Musik. Viele Gruppen stellen bis heute die Beschreibung des Alltags in den Ghettos aus der Sichtweise der Streetgangs in den Mittelpunkt ihrer Veröffentlichungen. Die meisten der ausschließlich männlichen Gangsta-Rapper vergleichen sich dabei selbst mit Reportern, welche die Ereignisse in den afro- amerikanischen Stadtteilen dokumentarisch beschreiben ohne sie zu bewerten.
Tatsächlich ist es jedoch für den Gangsta-Rap in großem Maße charakteristisch, daß die Gewaltstrukturen der Streetgangs nicht nur dargestellt, sondern oftmals verherrlicht und damit letztlich bestätigt werden. Nur in Ausnahmefällen kommt es zu einer Hinterfragung der Situation oder zu einer Einordnung in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang. Zumeist werden die angestauten Aggressionen auf künstlich geschaffene Feindbilder projiziert, während sich systemkritische Positionen auf eine haßerfüllte Ablehnung der Polizei beschränken.

Manche Gangsta- Rapper haben wohl kaum ein Interesse daran, die Abläufe zu vermitteln oder gar auf Verständnis zu stoßen. Neben finanziellen Aspekten steht die glorifizierende Selbstdarstellung der eigenen Person im Vordergrund. Die Mitglieder vieler Gruppen sehen sich gerne in der Rolle des harten Mannes und betonen ihre Herkunft als Gangmitglied, teilweise auch als Drogenhändler oder Zuhälter.

Zu den populärsten Bands aus dem Bereich des Gangsta-Rap zählt N.W.A. (Niggers With Attitude), der unter anderem Eazy E., Dr. Dre und Ice Cube angehören bzw. angehörten.
Die zentralen Themen ihrer Texte, die oftmals einen autobiographischen Charakter haben, sind die Gewalt in den Ghettos, das Auftreten der Streetgangs und die alltägliche Kriminalität wie beispielsweise Autodiebstähle und der Handel mit Drogen.

Charakteristisch für N.W.A. und generell für den Gangsta-Rap ist die Beschreibung zwischengeschlechtlicher Beziehungen als Gewalt- und Machtverhältnisse, die letztlich immer von Männern dominiert werden.

Auf Grund der inhaltlichen Aussagen der Band weigerten sich mehrere TV- und Radiostationen die Songs und die Videos der Band auszustrahlen. Um einen drohenden Boykott großer Handelsketten zu umgehen, veröffentlichten N.W.A. neben den Originalaufnahmen mit den sogenannten „clean versions“ entschärfte bzw. selbstzensierte Versionen ihrer Stücke.

Ein für N.W.A. in vieler Hinsicht bezeichnendes Stück ist „Gangsta Gangsta“.
„Here’s a little something ’bout a nigger like me, who never should’ve been let out of the penitentiary. Ice Cube would like to say that I am a crazy motherfucker from around the way. Since I was a youth I smoke breath out, now I’m the motherfucker you read about. Takin’ a life or two that’s what the hell I do. You don’t like how I’m livin’? Well, fuck you! This is a gang and I’m in it. My man Dre’ll fuck you up in a minute. With a right-left-right-left you’re toothless and they say goddam they’re ruthless…“