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Ausverkauf

Nachdem die Hip Hop Kultur lange fast ausschliesslich in den Ghettos vorhanden war und außerhalb dieser keine Beachtung fand, setzte um 1980 ein Ausverkauf des Hip Hop ein, der sich mit der für den kapitalistischen Markt typischen verschlingenden Dynamik vollzog.
Die weltweite Vermarktung wurde durch das Stück „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang eingeleitet.

Silvia Robinson, eine etablierte schwarze Produzentin, hatte durch ihre Kinder von der Popularität des Hip Hop erfahren und stellte in Erahnung der Erfolgsmöglichkeiten die Gruppe speziell für eine Schallplatten- Veröffentlichung zusammen.

Wonder Mike, damaliges Mitglied der Sugarhill Gang, beschrieb später in einem Interview wie die Gruppe vermarktet wurde: „Zuerst habe ich meine Raps alleine geschrieben. Ich kannte mich mit der Musik aus, ich wußte wie man einen Song schreibt. Aber wie man daraus einen Hit macht, etwas, das sich überall verkauft und nicht nur mir gefällt, dabei hat mir die Produzentin Silvia Robinson geholfen. Sie kennt die Formel mit der ein Hit gemacht wird. Als wir dann die Platten gemacht haben, mussten wir genau die richtige Formulierung finden. Wir mussten uns an einem dauernd verändernden Publikumsgeschmack orientieren. Wir mussten passende Texte schreiben, aufpassen, was die Medien sagen, den musikalischen Trend beobachten.“

Nach den ersten kommerziellen Erfolgen begannen die großen Musikkonzerne die Hip Hop Szene zu vermarkten, wobei die RapperInnen in der Regel nur einen winzigen Bruchteil des finanziellen Gewinns erhielten. Die Musik und die Texte wurden auf den weißen Markt abgestimmt, was vielfach zu einer inhaltlichen Entschärfung führte. Entsprechend dazu wurden in Hollywood klischeehafte Hip Hop Filme produziert, in Galerien wurden Graffitis ausgestellt und B-Boys hatten große Auftritte.
Natürlich soll das nicht so negativ gesehen werden, weil dadurch auch eine Weiterentwicklung der Hip Hop Kultur stattfand, die Künstler die Gelegenheit hatten durch ihre „Liebe“ Geld zu verdienen und mehr Menschen mit Hip Hop in Berührung kamen.
Doch ist dies auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Industrie versucht mit allem Geld zu machen. Doch hat sich die Industrie nicht alle Künstler zu nutze machen können, die Künstler haben auch ihren Nutzen aus der Industrie gezogen.

Einige Veröffentlichungen spiegelten auch die Situation der Ghettos wieder. Herausragend war in dieser Hinsicht das Stück „The Message“ von Grandmaster Flash and the Furious Five.

Der im wesentlichen von Melle Mel geschriebene Text beschreibt in einer unverschleierten Weise das Leben in den afro- amerikanischen Wohngebieten und das dort vorherrschende Gefühl der Ausweglosigkeit, ohne allerdings übergreifende Zusammenhänge oder Ursachen aufzuzeigen. „Broken glass everywhere, people pissin’ on the stage. Ya know they just don’t care. I can’t take the smell, I can’t take the noise. Got no money to move out, I guess I got no choice. Rats in the front room, roaches in the back. Junkies in the alley with the baseball bat. I tried to get away but I couldn’t get far ’cause the man at the station repossessed my car. Don’t push me ’cause I’m close to the edge. I’m tryin’ not to loose my head. It’s like a jungle sometimes, it makes me wonder how I keep from going under… You’ll grow up in the ghetto, livin’ second-rate. And your eyes will sing a song of decay. The places you play und where you’ll stay, looks like one big alleyway. You’ll admire all the pimps, the pushers, and the big money makers. Drivin’ big cars, spendin’ twenties and tens. And you wanna grow up to be like them – Ha! Ha! You say, I’m cool, I’m no fool. but then you wind up droppin’ outta high school. Now you’re unemployed, all null and void…“.

In ihrer Gesamtheit gesehen ergab die HipHop- Kultur in den späten siebziger Jahren ein widersprüchliches Bild. Sie reproduzierte herrschende Strukturen, wie das Leistungsprinzip, widersetzte sich aber auf einer anderen Ebene den staatlichen Integrationsmechanismen und bildete ein Gegengewicht zu den mörderischen Kämpfen der Streetgangs. Die ursprünglichen Ausdrucksformen des Hip Hop waren alle von der gleichen grundlegenden Lebenshaltung geprägt. Hip Hop stellt die einzelne Person in das Zentrum der einzelnen Ausdrucksform. Den SprüherInnen, die ihre Namen in riesigen Buchstaben an die Wände hinterließen, den TänzerInnen, die von anderen umringt, abwechselnd ihr Können vorführten und den Discjockeys, die auf jeder Party für Stimmung sorgten.

Insbesondere die Rapper überboten sich in selbstverherrlichenden Darstellungen und Texten. Unablässig wurden der vorgebliche Erfolg, die eigenen Fähigkeiten und die sexuelle Potenz dargestellt. Bezeichnend war die Bedeutung von äußeren Statussymbolen, wie zum Beispiel von Goldketten, welche viele Rapper betont zur Schau stellten. Sie spiegelten damit die von den Medien unablässig propagierte Grundeinstellung, daß Glück nur über materiellen Wohlstand und Erfolg zu erreichen ist.
Als Ausdruck der Entpolitisierung in den siebziger Jahren war für den Hip Hop zudem charakteristisch, daß klare politische Positionen kaum in den Rap- Texten noch in den Graffiti vertreten wurden. Vielmehr stand eine Party-Mentalität im Vordergrund, die vom persönlichen Vergnügen, dem Spaß und der Ablenkung geprägt war.

Im Zusammenhang mit der Hip Hop- Kultur veränderte sich das Klima unter den Jugendlichen. Vielfach schlossen sich Jugendliche aus bestimmten Stadtteilen zu Crews zusammen, welche wie die Streetgangs in einem selbstgewählten Konkurrenzverhältnis standen. Im Gegensatz zu diesen trugen die Crews ihre Auseinandersetzungen allerdings nicht bewaffnet aus, sondern wettbewerbsartig unter anderem in Bezug auf die Originalität der Graffiti oder den Fähigkeiten auf der Tanzfläche.

Der Rapper Melle Mel faßte die Entwicklung wie folgt zusammen:
„Alles fing mit Breakdance und Graffiti an. Plötzlich gab es nicht nur Gangs, sondern einfach Gruppen von Leuten, die zusammen die U-Bahn ansprühten oder eine Crew mit einem DJ und Tänzern bildeten. Graffiti gehört genauso zu dieser Kultur, denn diese Kids haben auch versucht, etwas mitzuteilen. Wenn sie etwas auf eine Wand schrieben, dann nicht, um diese Mauer schmutzig zu machen, sondern um auszudrücken: ’Hey, hier bin ich und das kann ich!’.

Das ist das gleiche, was Rap und Breakdance sind: der Versuch zu sagen ’Wir sind hier. Wir sind mehr als eine Statistik. Wir sind mehr als die Ghettokinder aus der Bronx.“