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Storm

Storm sollte wohl jedem bekannt sein. Old School B-Boy, Autor, Moderator der früheren VIVA Hip Hop Sendung Freestyle, viele, viele Auftritte auf wohl der ganzen Welt, usw……Ein Mann, der sich nicht nur seit seiner Anfangszeit mit dem Tanz und der Hip Hop Kultur beschäftigt bzw. sein Leben mit Hip Hop gleich setzt, sondern auch viel Engagement zeigt, was seine unzähligen Auftritte in Theatern in ganz Europa zeigen.

Das Interview hat Storm am 31.12.2004 gemacht und mir um 22.50h zugeschickt! Das spricht für sich…
Mehr möchte ich nun nicht mehr zu der B-Boy Ikone sagen, denn wer ihn nicht kennt, wird gleich einiges über ihn erfahren.

http://www.stormdance.de/


 

HHWS: Warum hast du nicht wie viele anderen nach der ersten Hip Hop Welle Anfang der 80er wieder mit dem Tanzen aufgehört?

STORM: Ich denke daß mir das Tanzen so viel gegeben hat, daß es mir gar nicht auffiel, daß es sozusagen „out“ war. Das war mir egal. Es hat mir Spass gemacht, ich hatte nichts was mir mehr Spaß machte, also, warum sollte ich aufhören?

Noch dazu waren Shows in der Zeit meine einzige Geldquelle. Andere Schüler trugen Zeitungen aus und verdienten 5-7 Mark die Stunde. Hatten aber außer dem bisschen Geld nichts davon. Bei mir war das so, daß ich außer der Kohle die ich bekam auch oft noch Tänzer und andere interessante Leute kennenlernte.

 

HHWS: Hattest du damals schon das Gefühl, daß du mit dem Tanzen deine Zukunft gestalten wirst?

STORM: Von dem Moment an als ich mit der Schule fertig war und nur einen mittelmäßigen Abschluß hatte mit dem es auch kaum Sinn machte eine Lehrstelle zu suchen, war der selbständige Weg der einzig richtige für mich. Als ich Swift kennenlernte konkretisierten sich die Pläne mit ihm eine gemeinsame Tanzlaufbahn einzuschlagen. So versuchten wir nichts auszulassen und nahmen erst mal alles an was wir bekamen, außer die Sachen natürlich die ethisch nicht vertretbar waren.

 

HHWS: Deine Gruppe Battle Squad war Anfang der 90er eine der bekanntesten Gruppen der Welt. Was habt ihr zu der Zeit getrieben, wodurch wurdet ihr so bekannt?

STORM: Damals gab es das Tramper Ticket der Bundesbahn. Damit konnte man einen Monat lang in Deutschland herumtickern. So viel man wollte und vor allem in allen Zügen. Damit hatten wir die Möglichkeit auf jede HipHop Veranstaltung zu fahren und zu jammen wo immer wir Lust hatten. Besonders im Sommer sind wir dann auch immer auf Straßentour gegangen und haben uns Geld durch Straßenshows verdient. Swift, Speedy und ich waren in der Zeit einfach überall zu Hause. Natürlich haben wir auch keinen Halt vor dem Ausland gemacht. Trainiert haben wir die Woche über den ganzen Tag und am Wochenende ging es los. Dadurch das wir kaum Einfluß von außen hatten und sehr viel an uns selbst arbeiteten ohne das uns jemand sagte was richtig oder falsch war, haben wir unsere eigene kleine B-Boy Philosophie entwickelt, die sich immer an der Ästhetik der New Yorker hielt. Unter Nichttänzern waren es glaube ich die Powermoves die die meisten faszinierend fanden und unter Tänzern war es so, daß wir ständig neue Ideen hatten und neue Konzepte, die leicht nachzuahmen waren, so haben die sie dann auch gemacht. Wenn sie dann gefragt wurden, woher sie das eine oder andere gelernt hatten, haben sie unsere Namen genannt. Selbst wenn sie nichts sagten, haben andere Tänzer aber ja auch erkannt woher was kam.

 

HHWS: Wann und wieso fing es mit euren ersten B-Boy Videos an?

STORM: Die ersten Videos die Swift und ich rausbrachten, nannten sich B-Boying1 und B-Boying 2, der Untertitel zum 2. war „Mit Swift und Storm enorm in Form“. Beide Videos haben wir in 2 Nächten aus Material geschnitten, das wir in Jahren zusammengesammelt hatten und das uns inspiriert hat. So wollten wir genau diese Inspiration weitergeben. Außerdem war uns wichtig, daß die Leute sehen sollten woher gewisse Techniken kamen, da es mehr und mehr Leute gab, die meinten sie hätten dies oder das erfunden und das stimmte gar nicht. So ist zum Beispiel in dem Video zu sehen, wie Paolo Nunes aus Holland schon 1989 einen Airtwist macht. Die beiden Videos kamen im Juni 1993 heraus. Eigentlich sollte es nur ein Video werden, doch wir hatten zu viel Material. Wir hätten gern noch mehr Videos herausgebracht, weil gerade das früher absolute Mangelware war. Es gab kein Internet und auch im Fernsehen lief nichts über B-Boying. Nachdem sich aber viele darüber aufregten, daß wir sie in dem Video unterbrachten und sie kein Geld dafür bekamen, ließen wir es sein. Schon schade, weil natürlich auch genauso die andere Seite laut wurde und nach mehr Videos schrie. So haben Swift und ich dann 3 Jahre später jeder ein Solovideo herausgebracht. Mein Solovideo habe ich gemacht nachdem ich einen Bandscheibenvorfall hatte und wieder einigermaßen okay war. Jedoch war mir klar, daß ich wahrscheinlich nie wieder so abgehen könnte wie zuvor. So wollte ich für mich, alles was ich konnte und was ich in den Jahren zuvor entwickelt hatte, filmen um es für mich zu archivieren. „Flying Steps“ meinten dann, daß es doch eine gute Idee sei, das ganze als Kaufvideo herauszubringen.

 

HHWS: Wann hast du angefangen die Funk-Styles zu trainieren? Wie viel Training braucht es deiner Meinung nach um gut zu poppen oder zu locken oder…?

STORM: Als ich damals anfing zu tanzen, kannten wir nur den einen Begriff und den einen Tanz: Breakdance! Das der Name von den Medien erfunden wurde um global alle Tänze zu erklären die sie selbst nicht wirklich kannten, war uns damals natürlich nicht klar. Schon ein paar Monate später kannten wir auch „Electric Boogie“ und dann irgendwann auch Locking. Bis heute werden ständig neue Stile aufgedeckt und andere Namen für bestimmte Styles gefunden. Ich weiß auch nicht ob ich den Namen Funkstyles, der von Popping Pete erfunden wurde, so gut finde. Denn „B-Boying“ tanzt man auch zu Funk. Aber okay, ich habe also eigentlich mit allem angefangen und nie damit aufgehört. Ich trainiere eigentlich alles was mich interessiert. Zwischen 1988 und 1995 habe ich jedoch hauptsächlich gebreakt, weil ich mit Swift als Partner, der absolut B-Boy ist, weniger Inspiration hatte. In den Jahren davor war noch Nick Gül aus Lübeck bei uns in der Gruppe, die sich „Unique Rockers“ nannte. Nick und ich waren wie Brüder. Er hatte immer unglaubliche Wellen!!! Unter anderem haben wir auch zusammen Kung Fu gemacht. Leider hat er dann später immer mehr den Hang zu lateinamerikanischen Tänzen gefunden und ich ging mehr und mehr in Richtung Full Time Hip Hopper, was auch an meinen Reisen lag. Als ich dann 1992 in NYC mit „Ghettoriginals“ und „Jam On The Groove“ unterwegs war, haben mich Wiggles und Adesola dazu bewogen wieder mehr an meinen Popping und Locking Skills zu arbeiten. Dazu kam auch noch, daß ich knapp ein halbes Jahr zuvor Damon aus Schweden und Anthony aus London kennenlernte, die mir eine Menge Inspiration auf den Weg gaben. Richtig angefangen mit Locking und Popping habe ich dann aber als ich 1996 das „Storm and Jazzy Project“ gründete. Irgendwie geriet B-Boying für mich mehr und mehr in den Hintergrund. Und mein Interesse galt mehr und mehr den West Coast Styles. Es kam dazu, dass Swift sich entschied einen Laden aufzumachen und ich von nun an viele Shows Solo tanzte, die eigentlich für uns beide bestimmt waren. So brachte ich meine 1. Popping-Solonummer, bei der ich versuchte zu „Electric Kingdom“ auf einem Teppich zu fliegen. Anfangs kam ich mir schon ein wenig komisch vor, eine ganze Show zu rocken ohne dabei einmal den Fußboden anzufassen, aber das verschwand ziemlich schnell. Ich lernte die Boogaloos kennen und die Lockers und bekam meine Hausaufgaben sehr früh. Durch meine Frankreichreisen hatte ich auch immer ein paar gute Trainingspartner wie Karl und Walid, die ich in Berlin nicht hatte. Und um zu beantworten wieviel Training man braucht: Ich denke die Zeit richtig zu nutzen ist wichtiger als einfach nur zu trainieren. Dein Kopf muß einfach voll auf Tanz programmiert sein und wenn du dir vornimmst etwas zu lernen, darfst du nicht aufhören bevor du es kannst. Musst du aufhören zu trainieren bevor Du es geschafft hast, dann trainier im Kopf weiter, aber hör nicht auf, bis Du es kannst. Dann kommst du garantiert ans Ziel. Aber zeitlich kann man das nicht messen.

 

HHWS: Du sagtest mal irgendwo, ich glaube es war in der VIVA Sendung „Freestyle“, daß dein Arzt dir schon vor einiger Zeit den Rat gab, aus gesundheitlichen Gründen mit dem B-Boying aufzuhören. Welche Verletzungen hattest du im Laufe der Zeit?

STORM: Wenn Du soviel trainierst wie wir, dann kann das nicht gut sein für die Gesundheit. Wenn Du dann auch noch mehr Zeit auf dem Kopf verbringst als auf den Füßen, dann erst Recht nicht. Da sind die Verletzungen vorprogrammiert. Wenn ich zurückdenke war ich eigentlich immer verletzt. Irgendetwas war immer kaputt oder schmerzte. Dann hat man aber irgendwann auch gelernt damit zu leben und „um die Verletzungen herumzuarbeiten“. Ich hatte ein, zwei mal mein rechtes Knie kaputt. Ein mal einen Kapselriss und das nächste mal eine Meniskusquetschung. Da habe ich dann entweder alles mit geraden Beinen oder mit nur einem Bein trainiert. Dann waren die Hangelenke oft betroffen und ich habe „no hand footwork“ oder alle Powermoves ohne Hände trainiert.

Ich hatte viele Leistenschwierigkeiten. Es gibt ein Band das nennt sich Pseabscilliac und läuft vom Adduktor des Oberschenkels zum Zwerchfell. Ich hatte jahrelang Schwierigkeiten das nach Zerrungen zu kurieren. In der Zeit haben wir immer bei „Noel“ im Haus trainiert. Der wohnte knapp 2 Kilometer weg und so joggte ich zum aufwärmen jeden Tag zu ihm. Davon ging es dann weg.

Beim Genick wird’s dann schon schwieriger, weil dann meistens nichts mehr geht. Meinen ersten Bandscheibenvorfall hatte ich im Frühling 1995. Ich Idiot habe aber einfach weitergetanzt und so wurde alles noch schlimmer und im Herbst musste ich flachliegen. Den 2. Bandscheibenvorfall bekam ich 2003, seitdem reichts mir. Das B-Boyherz schlägt zwar immer noch, aber ich halte es für besser jetzt nur noch „Footwork“ zu machen. Außerdem benutze ich jetzt noch mehr als vorher alle meine Popping Exercises als Yoga Übungen!!!!

 

HHWS: Im Backjumps Magazin (Graffiti Magazin aus Berlin) erschien in einer Ausgabe ein Artikel von dir über das professionelle Tanzen. Wenn man vom Tanzen leben möchte, muss man dazu bereit sein einiges zu riskieren. Was sollte man bedenken, wenn man mit dem Breaken sein Lebensunterhalt verdienen will?

STORM: Heutzutage weiß wenigstens jeder schon mal was „Breaken“ ist! Ich würde einfach nochmal genau das machen was ich vorher auch tat. Überall wo man auch nur annehmen könnte dass man B-Boys braucht, meine Adresse abgeben, überall wo andere Breaker sind trainieren, zusehen, daß ich mindestens qualitativ genauso gut werde wie die Konkurrenz, eigene Ideen versuchen zu verwirklichen und ganz besonders wichtig!!!! Straßenshows machen so viel es geht. Nicht etwa einfach auf der Straße trainieren, sondern richtige Shows machen. Dann merkt man in kürzester Zeit, was vor Publikum funktioniert und was nicht. Wenn man dann seine Jobs hat, sollte man versuchen, diese Jobs auch zu behalten und sich nicht auf seinen Loorbeeren ausruhen. Es ist bis heute so, daß Agenturen mit denen ich schon 1988 zusammenarbeitete noch immer auf mich zurückkommen, weil sie wissen, daß sie sich auf mich verlassen können.

 

HHWS: Wann fingst du an vom Tanzen zu leben?

STORM: Im Januar 1990 hatten Swift und ich im „Hansa Theater Hamburg“ unser 1. einmonatiges Engagement. Das war unser Startschuß. Wir mussten jeden Tag 2 mal tanzen und haben am Monatsende jeder 1700.- DM gehabt! Dafür machten wir uns im Keller des Theaters breit und trainierten zwischen den Vorstellungen. Insgesamt traten wir 3 Monate im Hansa auf. Das war jedes mal ein Hardcore Trainingslager.
Unterricht gebe ich seit 1993. In diesem Jahr gab es mehr Breaker in Berlin als in jeder anderen Stadt Europas. Kai Eickermann, Telle, Chico, und ich waren die Hauptlehrer in der Zeit, wir hatten jeder mehr als 100 Schüler in der Stadt. Im Sommer habe ich dann angefangen in Paris Unterricht zu geben. Seit die Franzosen mich mit ihren Kulturgeldern mitfinanzieren kann ich wirklich gut von dem leben was ich gern machen möchte. Davor waren immer noch irgendwo Jobs die ich machen musste um die Miete hereinzubekommen.

 

HHWS: Gab es dann auch mal Zeiten, in denen du aus irgendwelchen Gründen nicht tanzen konntest und dadurch kein Geld reinkam? Hast du dann auch mal daran gedacht, mit dem Tanzen aufzuhören bzw. hast du jemals daran gedacht?

STORM: Nein, ich habe nie auch nur eine Minute daran gedacht mit dem Tanzen aufzuhören.

 

HHWS: Um noch mal auf die Hip Hop Sendung „Freestyle“ zurückzukommen. Du warst bis 1996 der Moderator dieser Sendung. Wie schwer war es für euch, eure Ideen für die Sendung umzusetzen und nicht nur auf das Budget zu achten? Wurde da auch mal mit Rausschmiss oder anderen Konsequenzen gedroht?

STORM: Budget gab es eigentlich überhaupt keins für spezielle Ideen. Die Studiogäste waren immer Gruppen oder MCees die gerade ein neues Produkt zum vorstellen hatten und wurden deshalb nicht bezahlt, weil es Werbung war und die Tänzer die in der Sendung auftraten wurden aus Moderatorentaschen bezahlt oder kamen rein zufällig vorbei. Meine Ideen gingen ständig an dem Hauptredakteur vorbei. Oftmals griff er meine Ideen auf und machte dann die Dinger für sich klar ohne mir was davon zu erzählen. Na war mir dann auch egal, Hauptsache die Sachen waren im Kasten. Torch hatte ziemlich früh schon die Nase voll und ließ mich allein mit Scope. Mit Rausschmiss wurde nie gedroht. So weit hatten wir auch alle Spaß an der Sendung. Uns war allen klar, wie das Budget auch aussah, Viva war wichtig als Sprachrohr für HipHop in Deutschland. So haben wir das durchgezogen, bis Viva uns endgültig den Hahn abdrehte. Das Budget sollte so gut wie verschwinden. Scope und ich sollten weiter moderieren und das restliche Team aufgrund vom zu hohen Budget verschwinden. Die Viva Leute waren sich aber nie darüber bewußt, daß wir nie nur Moderatoren waren, und nun wirklich keine Lust hatten vorgefertigte Moderationen vom Schirm abzulesen. So machten wir Schluß mit Freestyle.

 

HHWS: Was denkst du im Nachhinein über die Sendung und auch über die Nachfolgesendungen?

STORM: Ich höre immer nur gute Kommentare wenn es um unsere Sendung geht. Natürlich kommt aber auch keiner zu mir und erzählt wie Scheiße er Freestyle fand. Ich finde heute, dass sie ihren Zweck erfüllte und wir die Hip Hop Kultur so wiederspiegelten wie sie war. Die Sendung war das einzige Sprachrohr der Kultur. Alles was danach kam hat nie versucht so die Waage zu halten, wie wir es taten. Dafür hatten wir aber auch die schlechtesten Moderatoren!!!! Ich glaube kein Mensch würde heute wieder einen B-Boy für eine Moderation in einer Hip Hop Sendung engagieren. Was mich oft an unserer Sendung und den anderen genauso nervt, ist, dass das alles immer so aussieht als würden wir überhaupt keinen Spass haben an dem was wir machen. Wenn dann Leute kamen die Spass machen wollten, habe sie meist herumgekaspert und eine echte Jugendsendung daraus gemacht. Anders war das als z.B. „Too Strong“ aus Dortmund in die Sendung kam. Das hatte Konzept und Zusammenhang. Die Jungs konnten sich artikulieren und brachten Leute mit die auch den Rest der Kultur repräsentierten, wie damals „Can Two“ und „B-Boy Trickz“ (RIP). Ich denke wenn die HipHop Kultur in Deutschland anders wäre, wären auch die Sendungen anders. Das fängt aber ja leider schon am schwindenden Musikverständnis in der Bevölkerung an. Damals waren wir darauf angewiesen irgendwelche Toys in die Sendung einzuladen, weil diese die einzigen waren, die was Neues am Start hatten. Heute hat vieles wesentlich bessere Qualität, wird aber nicht auf Rotation gesendet, weil es nicht ins typische Hip Hop Bild passt. Die Sender machen sich ihren Markt selbst kaputt, weil sie das was sie füttert unterdrücken. Mit wenig Budget- schlechte Sendung. Ist doch mit allem anderen auch so!

 

HHWS: Nachdem du bei „Freestyle“ ausgestiegen bist, hast du mit deiner Frau das „Storm and Jazzy Project“ gegründet. Ihr habt mit Choreographien auf der ganzen Welt getourt. Wie waren die Reaktionen in den verschiedenen Ländern und in welche Länder hat dich das B-Boying bisher gebracht?

STORM: Die Reaktionen sind eigentlich überall gleich. Unterschiede kann man eigentlich nur in Hip Hop Publikum und nicht Hip Hop Publikum machen. Tritt man vor normalem Publikum auf, kann man sie normal schon mit einem normalen Backslide begeistern. Das HipHop Publikum ist natürlich wesentlich geschulter.
Ich war eigentlich schon überall auf dem Globus unterwegs außer in dem Gebiet der Ex-UDSSR und in Indien. Klar fehlen auch hier und da noch ein paar Länder……Am besten ist es in Brasilien gewesen. Insgesamt war ich 5 mal da und habe insgesamt knapp 4 Monate da verbracht!!!

 

HHWS: Du hast auch viel dafür gearbeitet, daß B-Boying in der Theaterszene anerkannt wird. Wie schwer war es Auftritte in diesem Bereich zu bekommen? Gab es dann überwiegend eine positive Resonanz aufs B-Boying?

STORM: Insgesamt gilt HipHop in Deutschland als eine Jugendkultur. Dass von dieser Kultur ein Großteil Anfang der 80 einstieg und mittlerweile allein die Kultur in Deutschland vor mehr als 20 Jahren adoptiert wurde, wird nur wenigen klar. Die meisten Theaterleute erkennen nicht die künstlerische Arbeit hinter dem was wir machen, weil durch die Medien ständig ein falsches Bild vermittelt wird. Entweder man sieht Gangstertypen oder Graffiti, als Vandalismusberichte. Wie schön, positiv und lebenserfüllend HipHop sein kann, zeigt keiner.

Aber auch in der HipHop Welt selbst ist es momentan besonders angesagt, dumm zu sein!!! Es ist nicht intelligent Gangster zu sein, oder kriminell zu sein und erst Recht nicht dann damit auch noch anzugeben. Die Intelligenz in unserer Kultur scheint auszusterben. Die Ursprungsgedanken des Hip Hop gehen mehr und mehr verloren. Schau dir mal das typische Hip Hop Bild in Deutschland an. Würdest du solche Leute in einem deiner renommierten Theater spielen lassen? Natürlich habe ich besonders in Deutschland Probleme Shows gebucht zu bekommen. Nur ein Beispiel: Meine Show „Solo 4 two“ habe ich mehr als 90 mal in Frankreich gespielt. Davon knapp 20 mal im Raum Paris. In Deutschland spielte ich die Show bisher 5 mal!!!! Noch nie in Berlin! Das Goethe Institut meint es allerdings unglaublich gut mit mir und so wurde ich über die Goethes schon in allerlei Länder geschickt, worüber ich sehr dankbar bin.

Komischerweise sind die Theater bei Hip Hop Gruppen aber grundsätzlich wesentlich voller als wenn eine Show aus dem modern Bereich mit ähnlichem Budget auftritt. Insofern verstehe ich nicht, was die Theater davon abhält mehr mit uns zusammenzuarbeiten. Noch dazu wurde ich mit meinen Shows in Theatern wie der Semper Oper oder der bayrischen Staatsoper gebucht, aber nie von Theatern von denen man es sich am ehesten vorstellen könnte. Schon alles ziemlich verdreht in Deutschland.

 

HHWS: Auf deiner Webseite gibt es die Aussage von dir, dass man die Entstehungeschichte des B-Boying kennen sollte und dadurch den Tanz und seine Philosophie erst richtig kennen lernen kann. Was ist für dich die Philosophie des B-Boying?

STORM: Der Tanz hat sehr viel mit Attitude zu tun. Die meisten B-Boyschritte und Tricks sind aus der Tatsache entstanden, dass die Tänzer aussehen wollten als wären sie Krieger. Außerdem war der Ganghintergrund und die Tatsache im Ghetto nicht so auszusehen wie ein Opfer sehr ausschlaggebend für die Entwicklung des Tanzes. Kung Fu und Kampfsport waren schon immer wesentlicher Bestandteil. Insofern waren Leichtigkeit, Geschmeidigkeit aber auch gleichzeitig die Energie und Geschwindigkeit wichtig. Viele der Kicks und Tricks sehen auch heute noch aus als würden sie direkt importiert aus einem Kung Fu Flic kommen. In den 90ern kam hauptsächlich aus Europa ein Capoeiraeinfluß dazu, der eh schon sehr eindeutig zum Ursprung des B-Boying passt. Nach Allem vorher erwähnten darf man aber auf keinen Fall die Wichtigkeit der Musik außer Acht lassen. Der Breakbeat gibt der Energie den Anstoß, ohne die richtige Musik hätte sich der Tanz nie in diese Richtung entwickelt. Ohne Frage hat sich deshalb auch während der 80er der Tanz mehr und mehr in Richtung Spins und Powermoves entwickelt als mehr zu Electromusic getanzt wurde. Oder man schau in die endneunziger als sich der Tanz wieder gravierend veränderte und eine Evolution durchmachte als in Kalifornien die B-Boys hauptsächlich zu langsame Hip Hop Musik tanzten und es nur wenige Tänzer mit echtem B-Boyflavor, Poe one und Easyroc, gab. Jeder B-Boymove beschreibt eine Geschichte, die man nicht außer Acht lassen sollte wenn man den Tanz richtig lernen will.

Der Jerk beim Rocking, der fast bei keinem der heutigen B-Boys vollzogen wird, war einst einer der wichtigsten Bestandteile vom Uprock. Ich könnte noch Stunden über die Philosophie schreiben, doch im Endeffekt muß man es sehen und spüren, denn Worte können den Tanz sowieso nur annähernd beschreiben.

 

HHWS: Die in der oberen Frage beschriebene Aussage ist auch auf die anderen Bereiche von Hip Hop anwendbar. Inwiefern beschäftigst du dich mit Writing, DJ’ing oder MC’ing? Warst du jemals in einem dieser Bereiche tätig und hast du immer noch das Interesse daran?

STORM: Ich habe 1986 aufgehört mit Graffiti und wurde trotzdem 1989 noch beim taggen erwischt. Dann wurde es mir wirklich zu heiß. Ich hatte sowieso schon nie Geld und die Polizei fing an Exempel zu statuieren.

Ich habe auch immer viel Musik gemacht, verstand mich aber immer eher als Sänger als alles andere. Beatbox durch Doug E Fresh nachahmen gelernt, und habe 2 MK2 zu Hause, doch nenne ich mich deshalb noch lange nicht DJ. Ich hab zwar supercoole knapp 2000 Platten die ich auch öfter mal unter Beweis stelle bei Jams, doch bin ich eher ein schlechter Turntablist. Das habe ich nie gelernt.

 

HHWS: Hast du dir einen Punkt gesetzt, an dem du mit dem B-Boying aufhören willst?

STORM: Ich werde so lange B-Boying machen wie ich Lust dazu habe. Warum sollte ich vorher damit aufhören?

 

HHWS: Möchtest du dann auch weiterhin in der Hip Hop Szene tätig sein ?

STORM: HipHop ist mein Leben. Vielleicht werde ich in die Politik gehen. Aber selbst dann würde sich auch da an meiner Lebenseinstellung und meinem Lebensstil nichts ändern. Also bleibt das Hip Hop.

 

HHWS: Dein Buch „Von Swipe zu Storm“ beschreibt deine Lebensgeschichte als B-Boy und gleichzeitig die Entwicklung des B-Boying in Deutschland. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?

STORM: Eigentlich beschreibt das Buch sehr viel mehr die Geschichte vom B-Boying in Deutschland und weniger meine. Die Anekdoten in dem Buch würden bei weitem nicht ausreichen als das man das Buch als Autobiographie bezeichnen könnte. Ich habe insgesamt drei Jahre an dem Buch geschrieben. Der größte Teil war schon nach 2 Monaten fertig. Dann fing ich an zu touren und jedesmal wenn ich das Buch wieder aufnahm, erweiterte ich die vorhandenen Kapitel und schrieb neue. Das wurde nach und nach immer komplizierter.

 

HHWS: Was bedeutet dir das Buch, da es ja aus deiner persönlichen Sicht geschrieben wurde?

STORM: Das Buch ist heute ja schon wieder alt für die meisten. Wichtig wäre, gerade was das Vokabular angeht, es teilweise zu erweitern. Das Buch bedeutet einen Abschnitt in meinem Leben. Es hat mich sehr viel Mühe gekostet das Buch zu schreiben. All die Zeit die draufging. Die Wochen, die ich mit meiner Frau gemütlich im Kino hätte verbringen können. Ich fing es an, als wir eine große Finanzlücke direkt nach unserer Hochzeit hatten und hoffte, dass uns das Buch helfen könnte wieder schwarze Zahlen auf dem Konto zu haben. 3 Jahre später war das natürlich völlig vergessen.

 

HHWS: Gibt es irgendwann mal ein weiteres Buch von dir oder etwas in Bezug auf ein anderes Medium?

STORM: Bestimmt! Ich bin schon am überlegen und fleißig am Ideen sammeln. Ich denke, dass es sehr politisch wird.

 

HHWS: Wie siehts du die momentane B-Boy Szene deutschland- wie auch weltweit?

STORM: Ich finde es schade, dass alle nur noch an Battles denken und man kaum noch Spaß daran hat einfach so in Kreisen zu jammen. Außerdem werden flashige Moves oft über den Flow gestellt. Die B-Boyszene teilt sich mehr und mehr in Powermover, Freezer und Footworker (Styler?- hat nicht alles Style? Und welchen Style tanzt er denn?) auf, was absoluter schade ist. Der Tanz B-Boying wird immer komplexer und von daher ist es wichtig sich Ziele zu setzen, doch das sollte keinen dazu animieren sich auszugrenzen und nur noch eine Disziplin zu üben bis an das Ende seines B-Boylebens. Gerade wenn ich in der Jury bei Meisterschaften sitze, kommt mir immer wieder in den Kopf was denn wohl dabei herauskommen würde wenn die Powermover und die Footworker sich ihre Sachen gegenseitig zeigen würden, so wie wir es früher gemacht haben. Dann würden alle davon profitieren und die Mischung wäre perfekt. So benutzt die eine Gruppe nur Salz und die andere nur Pfeffer und die richtige Mischung kommt nicht zu Stande, weil durch den Streit, Curry, Petersilie, Paprika, Knoblauch und alle anderen Gewürze gar nicht mehr zur Geltung kommen. Alle lernen die neuesten flashigsten Tricks vom Internet. Dadurch können wir alle zwar schneller lernen, weil wir an mehr Information kommen, doch die richtige Information herauszufiltern ist genauso wichtig. Ich bin froh, das es weltweit so viele B-Boys gibt und die Sachen, die wir einst mit erfunden haben, bis heute überlebt haben. Außerdem bin ich richtig froh darüber, dass wieder mehr zu Breakbeats getanzt wird und viele DJ´s es darauf angelegt haben mit neuen alten Platten aufzutrumpfen um neue Inspiration zu geben. Es gibt mehr B-Boy Jams als je zuvor und allein das sollte mich schon glücklich machen, doch leider habe ich nur wenig davon, wenn ich mit Shows unterwegs bin und nicht selbst daran teilhaben kann.

 

HHWS: Viele B-Boys spezialisieren sich auf eine Sache. Sollte man als B-Boy auch Locking oder Popping können bzw. kennenlernen?

STORM: Man sollte einfach das machen woran man Spaß hat. Es macht als B-Boy mehr Sinn „Salsa“ zu lernen als Popping, wenn man sein B-Boying verbessern will. Tanz ist Tanz und egal welche Richtung, es hilft einem. Beim spezialisieren sollten sich die B-Boys im klaren darüber sein, dass je schwieriger eine Sache ist, desto weniger ist der Schwierigkeitsgrad nachzuvollziehen wenn die Schwierigkeit schlecht verpackt ist. Ich kann den krassesten Move bringen und ihn wie nichts aussehen lassen. Es braucht ein wenig Vorspiel um richtig und genussvoll zum Höhepunkt zu kommen. Das gilt auch hier!

 

HHWS: Was bedeutet dir das B-Boying und allgemein Hip Hop?

STORM: Ich bin mir heute bewußt darüber, daß sich mein Leben in eine völlig andere Richtung entwickelt hätte, wenn ich nicht zu tanzen angefangen hätte. Als ich damals Zeitungsauschnitte und Artikel über die Rock Steady Crew in die Hände bekam, hörte ich zum 1. mal den Begriff „Zulu Nation“. Als der Name öfters fiel, wollte ich mehr darüber wissen und hörte von den Laws und Regulations. Irgendwann bekam ich dann Zulu Letters aus Frankreich in die Hand und dann später noch die Laws und Regulations. Als Zulu bekam man so manche Lebensregeln mit auf den Weg. Wir hatten nie wirklich einen Zuluchapter in Deutschland und doch war es uns wichtig, den Mottos Peace, Unity und Love zu folgen. Wir rauchten nicht, tranken kein Alkohol, nahmen keine Drogen und versuchten uns bewusst zu ernähren, weil die Energie die in uns reingeht unsere Zukunft formt. Bis heute lebe ich danach. Ich weiß einfach, dass ein kleiner dummer Fehler das Leben schnell zum Nachteil verändern kann. Deshalb versuche ich so gut ich kann mein Bewusstsein zu schärfen und so intelligent wie möglich mein Leben zu gestalten.

Hätte ich damals meine Freunde nicht gehabt die mit mir diesen Weg gegangen sind, wäre ich heute nicht in der Position in der ich bin. Wir halfen uns gegenseitig und stärkten uns. Wiggles schreibt ähnliches auf seiner Seite. Um die Energie aufrecht zu erhalten müssen wir Energie zu uns nehmen. Wenn wir nun auch noch Drogen wie Alkohol oder Zigaretten zu uns nehmen, natürlich schwindet dann die Lust zum trainieren schneller, oder der Wille aus unserem Leben etwas zu machen. Viel deutlicher als die Leute die mit mir gingen waren aber diejenigen die genau den entgegengesetzten Weg gingen. Dazu kommt außerdem, dass Tanz meine Therapie ist. Etwas neues nie dagewesenes zu kreieren macht mich glücklich. Die körperliche Arbeit baut Stress ab und hält fit. Was will man mehr? Allein die Musik zu hören und die Vision von Tanzschritten und Choreographien vor mir zu haben, gibt mir mehr als sich die meisten Leute vorstellen können.

 

HHWS: Was ist für deine Zukunft geplant?

STORM: Ich bin am Überlegen eine Tanzakademie in Berlin aufzubauen. Dann ist eine Fernsehsendung über „Urbanen Tanz“ im Gespräch, ich habe noch viel vor, in der Weltgeschichte herumzutouren und Shows zu machen und dann irgendwann mal ein Theater zu übernehmen. Ich hoffe, dass ich dazu die Möglichkeiten in Berlin bekomme, denn ansonsten muss ich nach Paris ziehen, wo mir schon seit Jahren ohne die übliche Ignoranz die Türen offengehalten werden.

 

HHWS: Vielen Dank für das Interview. Möchtest du zum Schluss den Lesern noch was mitteilen?

STORM: Ich habe den ganzen Silvesterabend damit verbracht das Interview zu machen. Ich hoffe, dass sich jetzt auch genügend Leute gedulden, das Interview zu lesen!!!
Viel Spaß,
Storm