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Flying Steps

Flying Steps – ein großer Name wenn es ums B-Boying geht. Die Crew hat zig Wettbewerbe gewonnen, sehr innovative Shows kreiert und sind seit langer Zeit immer noch mitten im Geschehen. Sie haben das Tanzen also nach wie vor nicht aufgegeben. Durch meinen Berlin Besuch habe ich die Möglichkeit bekommen, Mikel und Amigo vor Ort im Haus der Jugend in Wedding zu besuchen, wo sie mit den B-Town Allstars trainierten und wo die Flying Steps entstanden sind.

http://www.flying-steps.de/


 

HHWS: Stellt euch bitte mal einzeln vor (Anm.: Name, Alter, Anfangszeitpunkt, Schwerpunkt beim Tanzen).

Mikel: Ich bin Mikel, ich bin 29 Jahre alt und tanze B-Boying seit 15 Jahren (Anm.: 1994), also hauptsächlich Styles und Powermoves.

Amigo: Ich bin der Amigo, ich bin 30 Jahre alt und meine Spezialitäten sind Locking, Popping, Uprocking, Toprocking und Styles. Nebenbei übe ich noch House und New Style und so Sachen. Ich tanze seit 20 Jahren.

 

HHWS: Wie seid ihr überhaupt damals zum Tanzen gekommen, wie lange seid ihr dabei?

Mikel: Bei mir war es so, dass ich schon immer rumgezappelt habe, z.B. in der Kinderdisco mit 12, 13. Irgendwann habe ich Breakdance im Fernsehen gesehen und fand das cool. Eines Tages habe ich dann einen Workshop in einem Jugendhaus mitgemacht und bin dadurch zu meinen ersten Breakdance Moves gekommen. Das hat mir dann so gut gefallen, dass ich es weiter gemacht habe. Ich habe das dann immer weiter ausgebaut. Ich bin in die Jugendhäuser hier in Berlin gegangen, wir haben da ziemlich viele Möglichkeiten, und ich habe angefangen da immer zu trainieren. Dadurch habe ich andere Tänzer kennen gelernt und dann auch Vartan und Amigo.

 

HHWS: Wie sind die Flying Steps ganz am Anfang entstanden und wie hat sich die heutige Zusammensetzung der Crew gefunden?

Mikel: Gegründet wurden die Flying Steps 1993 von Vartan und Amigo. Die haben beide vorher schon getanzt, dann aber erst eine Gruppe gegründet. Ich bin seit 1994 bei den Flying Steps und wir haben uns wirklich durchs Tanzen kennen gelernt. Wir haben zusammen trainiert und dadurch ist letztendlich die Gruppe entstanden.

Amigo: Unsere Basis ist halt unsere Freundschaft. Damals war es schon hart, da es auch viele Gangs gab und du musstest damals als Gruppe dann zu einer Gang gehören. Wir haben uns aber neutral verhalten und auch überall in Berlin trainiert. Das ist auch so geblieben, wir trainieren weiterhin in ganz Berlin ohne Stress zu haben. Unser Image ist nach wie vor so, dass wir neutral sind.

 

HHWS: Worauf seid ihr in eurer langen B-Boy Laufbahn ganz besonders stolz?

Mikel: Natürlich auf unsere Erfolge und die gewonnenen Meisterschaften, aber auch darauf, dass wir Jugendlichen teilweise ein Vorbild sind. Die kommen zu uns und sagen: „Hey, wir haben wegen euch damals angefangen zu tanzen.“ Das ist eine Sache auf die wir besonders stolz sind, wenn wir anderen Leuten was geben können, genauso wenn sich Leute daran erfreuen können oder es auch lernen wollen. Das finden wir sehr gut.

Weiterhin sind wir immer sehr engagiert dabei, dass wir unseren Style immer einzigartig lassen und dass wir was Besonderes bleiben. Ich denke dass ist uns auch ganz gut gelungen, z.B. durch die verschiedenen Shows wie die Basketball Show, wo die Leute ankamen und sagten: „Was macht ihr denn da?“
Diesen Weg werden wir auch weiterhin verfolgen und wir werden auch immer versuchen ein bisschen extravagant zu sein.

Amigo: Wir sind auch stolz darauf, dass wir unsere Erlebnisse mit unseren Freunden teilen können. Unser größter Erfolg war wohl das Battle of the Year 2000, das wir gewonnen haben. Das ist für uns unvergesslich. Letztes Jahr haben wir ja das Red Bull Beat Battle gewonnen und das war wie die Kirsche auf der Torte.

 

HHWS: Die Entwicklung der Breakdance Szene in Deutschland habt ihr mitgeprägt und miterlebt. Beschreibt mal bitte, was ihr alles an positiven und negativen Sachen gesehen habt.

Mikel: Schwer einzuschätzen. Eine kleine negative Sache ist, dass die Breakdance Szene sich nur noch an Battles orientiert. Wenn du jetzt auf eine Breakdance Veranstaltung gehst, dann ist das immer ein Battle. Wenn du früher auf eine Breakdance Veranstaltung gegangen bist, dann war das eine Jam. Da waren die Writer, die MC’s, die DJ’s und die Breaker waren immer im Kreis. Ich weiss grade gar nicht wann ich zum letzten Mal auf einer Breakdance Jam war, wo es nicht um ein Battle ging. Ich glaube dass ist schon einige Jahre her.

Das ist eine Sache die ich schade finde, dass die Breakdance Szene mehr in eine wettkampfmäßige Richtung gegangen ist. Mir würde es gut gefallen wenn es mal wieder Jams gibt, wo die Leute einfach zusammen kommen, ein paar Sprüher was malen und man abends eine Party macht und zusammen feiert.

Im Positiven hat sich alles sehr weit entwickelt, in der normalen Tanzszene gucken andere Leute auf uns und sagen: „Das können die ja auch im Variete machen“ oder wundern sich, dass es immer noch Breaker gibt. Breakdance ist nicht out, wir haben jahrelang immer weiter gemacht. Nur in den Medien ging es immer auf und ab. Viele Leute sehen jetzt auch, dass wir viel in Theatern tanzen, wir fahren jetzt am Wochenende wieder nach Frankreich und machen dort Theatershows. In der Richtung hat sich Breakdance ja weit entwickelt, dass wir offen sind für alle und Breakdance wirklich ein Tanz ist und nicht nur ein Ding von ein paar Streetdancern die ankommen und ein bisschen rumalbern. Das ist ein positiver Punkt.

 

HHWS: Ich denke das wird dann auch so weiterlaufen.

Mikel: Ja, das hoffe ich. Wir sind auf jeden Fall weiterhin in Varietes und Theatern dabei, das Breaken mehr einzubringen und es auch auf ein anderes Level zu bringen. Ich denke, das wird auch klappen.

Amigo: Es waren gute und schlechte Zeiten. Zu den schlechten Zeiten gehört wohl, dass die Berliner Gruppen nicht weiter getanzt haben, wie die Kreuzberger. Aber durch die Gangs ist alles kaputt gegangen, da die Gruppen auch nicht neutral geblieben sind. Wir hatten hier sicherlich Pioniere vom Breakdance in Berlin.

Allgemein ist es ein Dorn im Auge, dass Breakdance nicht als Tanz- und Kunstform anerkannt wird. Wenn jemand von Breakdance hört, dann wird oft an Strassen- und Arbeitslosenkinder gedacht, von diesem Thema wollen wir weg.

Der positive Aspekt im Breakdance ist, dass man keine Grenzen hat. Es gibt keine Regeln und das macht uns frei. Diese Freiheit ist auch wichtig, andere Tänzer haben die nicht unbedingt. Beim Breakdance ist es so, dass, alles was du draussen siehst, alles was dich beeinflusst, kannst du wiedergeben. Das ist dein Charakter den du zeigst. Diese Freiheit muss man zu schätzen wissen.

Es entwickelt sich auch sehr rasant heutzutage und das ist auch ein positiver Punkt.

 

HHWS: Was macht einen Tänzer aus, damit er wirklich ein B-Boy ist?

Mikel: Das Tanzen! Das ist einer der Punkte die beim B-Boying sehr wichtig sind. Am Anfang lernen die Leute die Powermoves und so, aber nicht dass sie tanzen. Aber Tanz hat immer was mit Rhythmus und Bewegung zu tun. Das sind so Problematiken, welche die Breaker am Anfang noch nicht so mitkriegen. Aber je mehr sie sich damit auseinander setzen, um so eher sehen sie, dass B-Boying ein Tanzt ist in dem du keine Grenzen kennst. Du kannst machen was du willst und so lange du es auf den Beat machst, wird es auch immer geil aussehen. Das macht einen Tänzer aus. Tanz zur Musik und du kannst einer der besten B-Boys sein.

Amigo: Ja, darüber streiten sich die Leute auch. Für mich ist ein B-Boy ein Allround Tänzer, der muss alles können. Leider ist es heutzutage nicht der Fall. Viele B-Boys trainieren nur Tricks aber keine Styles oder Grooves. Bei manchen ist es so wie bei einer Olympiade nach dem Motto: Ich kann so viele Airtwists oder Runden Headspin. Das ist nicht der Sinn der Sache. Manchmal wirft es ein schlechtes Bild auf die Sache. Wenn ein Choreograph ein Casting macht, dann kommen natürlich auch Breaker. Und wenn die dann nicht mal auf den Takt zählen können, dann ist das schlecht. Das spricht sich dann rum und kommt im Endeffekt auch auf uns wieder zurück und dann heißt es: „Wir dachten Breaker tanzen nicht.“

Wir versuchen dann wieder das Gerade zu biegen. Das ist ein Punkt wo ich mir denke, dass es viel besser sein könnte. Aber ich glaube langsam haben es die Leute verstanden, langsam bewegt es sich in die Richtung des Tanzes.

Das ist aber auch Einstellungssache.

 

HHWS: Da ihr, wie schon erwähnt, sehr lange dabei seid, habt ihr sicherlich auch einige Verletzungen gehabt. Erzählt mal bitte, was da so alles dabei war.

Mikel: Au, Verletzungen, jetzt geht’s los. (grinst) Verletzungen gehören einfach dazu, dadurch dass der Körper sehr beansprucht wird. Ich habe schon eine Blutvergiftung hinter mir am Ellenbogen. Das ist bei einer Strassenshow passiert. Ich habe im T-Shirt getanzt und habe mir eine kleine Schürfwunde am Ellenbogen geholt und man denkt sich ja nichts dabei. Man wäscht das dann auch nicht gleich aus, sondern macht das dann später, ist ja auch in Ordnung.

Ein paar Tage später hatte ich hohes Fieber, einen dicken Ellenbogen und konnte den Arm nicht mehr bewegen. Der Blutvergiftungsstreifen ging schon bis unter die Achseln. Noch zwei Tage, und der wäre bis zum Herz gewandert und es hätte vorbei sein können. Aber ganz ehrlich, ich hätte es auch zwei Tage länger nicht ausgehalten mit den Schmerzen. Das wurde dann operiert, mir wurde der Schleimbeutel am Ellenbogen entfernt. Der Beutel ölt gewissermaßen das Gelenk, dadurch quietscht es jetzt ein bisschen. (grinst)
So eine Blutvergiftung ist jetzt auch keine Standardverletzung. Ich habe auch Leute erlebt, die haben sich ein paar Mal hintereinander das Handgelenk gebrochen. Aber unter anderem auch aus dem Grund, dass sie es nie richtig verheilen ließen. Also ganz wichtig an alle Tänzer, die sich mal verletzen: Kuriert das richtig aus, ansonsten werden das Langzeitschäden bleiben!

Es gehört halt alles dazu. Ich tanze seit 15 Jahren und mittlerweile leiden meine Knie, mein Nacken und mein Rücken darunter. Das soll aber niemanden abschrecken, das gehört auch mit dazu, das kennt jeder Sportler. Guck dir die Fußballer an die 15 Jahre spielen, die wissen auch nicht mehr wohin mit ihren Verletzungen.

Man muss sich aber auch nicht verletzen, wenn man es richtig macht, dann passiert das auch nicht.

Amigo: Zum Glück hatte ich bisher keine richtigen Verletzungen. Ich mache auch immer Stretching und Warm-Up. Als wir jung waren sind wir auch einfach in den Kreis und haben die Moves gezogen und Warm-Up. Breakdance ist halt auch ein gefährliches Spiel, wenn man z.B. beim Headspin falsch aufkommt, dann gibt es einen Genickbruch. Man muss trainieren, aber kontrolliert! Man muss richtig warm werden und schwitzen bevor man anfängt zu tanzen. Das wissen viele nicht. Auch nach dem Training muss man das wieder machen. Das muss alles nach einem Plan ablaufen. Ansonsten hast du nach 20 Jahren einen steifen Körper.

 

HHWS: Heutzutage hat sich die HipHop Szene auseinander gelebt, die Elemente gehen größtenteils eigene Wege. Was haltet ihr davon?

Mikel: Das ist mir auch extrem aufgefallen und ich finde es schade. Ich kenne noch die Zeiten von den Jams wo alles zusammen war. Umso besser finde ich es, dass es immer noch Leute gibt, welche die verschiedenen Elemente immer wieder zurückbringen. Wir hatten jetzt eine Veranstaltungen in Berlin, welche von Graffiti Writern organisiert war (Anm: Rhytm of the Line, 13.04.-17.04.2006). Da wurde Graffiti eingebracht und auch der Tanz. In den Kinos wurden auch Filme über Graffiti, B-Boying, MC’ing und DJ’ing, es war also alles dabei. Das war also nicht nur auf die Graffiti Szene ausgelegt, obwohl das reine Graffiti Sprüher sind, die das organisiert haben. Das finde ich cool.

Wir selber achten auf darauf, wenn wir eine Veranstaltung machen, dass wir die mischen, dass die DJ’s genauso supportet werden wie die Breaker oder sonst wer. Das ist aber auch ein bisschen schwer. Warum das so ist, das ist schwer einzuschätzen. Irgendwie fährt jede Szene ihren eigenen Film. Aber wenn wir alle zusammen kommen, dann guckt man sich immer das von den anderen an. Ich gehe immer zu den Sprühern hin und guck mir die Bilder an. Ich habe früher selber ein bisschen gemalt und finde das heute immer noch genauso cool. Umgekehrt ist das auch so, ich kenne viele Sprüher die zur Battle of the Year fahren und sich die Veranstaltung angucken.

Ich denke es ist einfach alles zu groß geworden und hat sich dann gebündelt. Auf einmal war das Battle of the Year da, dann haben die Sprüher ihre eigenen Battles gemacht. Mir wäre es auch lieber wenn alles mehr zusammen wäre, aber das klappt leider nicht immer.

Amigo: Ja, HipHop geht auseinander. Den Rap den man heutzutage auf MTV sieht ist natürlich ganz anderer Rap als der, den man in der HipHop Szene wirklich erlebt. Die Amerikaner beeinflussen die Szene ganz anders, mit dem ganzen BlingBling, den fetten Autos und den Frauen. Die verkaufen unter diesem Image Rap. Jeder will ja sein Leben wie ein Star leben. Breakdance gehört da ja gar nicht rein. Wenn man wirklich Rap auf MTV sehen würde, dann würde man auch Breakdance und Graffiti und DJ’s sehen. Leider ist das nicht der Fall. Ich weiss auch nicht woher das alles kommt, aber die Familie hält nicht zusammen. Wenn die Rapper buchen, dann kriegen die eine riesige Bühne und die Breaker kriegen dann eine kleine Scheissbühne, wie beim Splash. Das ist auch schade, dass es so krass auseinander genommen wird. HipHop ist eine Familie, Rapper, Breaker, Writer und DJ’s gehören dazu.

 

HHWS: Wie waren die Reaktionen auf euren „Ausflug“ in die Musikwelt?

Mikel: Das waren ganz unterschiedliche. Manche kamen an und fanden das cool, dass wir was mit Musik machen und Breakdance einer breiteren Masse präsentieren. Aber dann hiess es auch, dass wir kommerziell sind und nur Geld machen wollen. Aber im Endeffekt fahre ich immer noch keinen BMW. (grinst) Weißt, was ich meine? Es ging da nicht ums große Geld. Wir haben das gemacht weil wir es machen wollten und uns Spass gemacht hat.

Dann kamen auch manche an und fragten uns nach Autogrammen, wo wir erst so guckten. Die Leute haben gar nicht verstanden dass wir genauso sind wie vorher. Wir sind keine großen Stars oder haben uns verändert, nur weil wir bei Bravo und so aufgetreten sind. Wir waren immer B-Boys, wir bleiben B-Boys, wir haben nicht gesungen, wir machen nur das was wir können. Das ist das wichtige. Es gab auch immer Leute die meinten wir wären kommerziell und uns unterstellten dass wir denken würden, dass wir was Besseres wären. Aber es kamen auch Leute an und uns unterstützt haben. Durch die Musiksache sind wir an viel mehr Leute in Deutschland rangekommen. Wir haben das Spektrum ein bisschen größer gemacht und der Szene im Endeffekt was zurückgegeben, so dass mehr Leute auf die Szene gucken.

Amigo: Die Reaktionen sind manchmal lustig. Uns interessiert es zwar nicht unbedingt so sehr, aber Kritik nehmen wir an. Man hat uns zwar auch Sellout und so vorgeworfen, aber ich sage da immer nur, dass die erstmal zwanzig Jahre tanzen sollen und dann damit Geld verdienen sollen. Was wir machen ist wirklich Kunst und wir leben HipHop aus. Wir versuchen der neuen Generation einen Weg zu zeigen, was man alles damit machen kann.

Schwarze Schafe hast du überall, aber wenn die älter werden, dann werden sie auch verstehen was wir alles fürs Tanzen gemacht haben.

 

HHWS: Welche Länder habt ihr durch das Tanzen bisher besuchen können?

Mikel: Oh, das waren einige. Ich sag mal die wichtigsten. Wir waren in Moskau in Russland. Moskau ist supergeil aber auch genauso streng wie man es sich vorstellt. Letztes Jahr erst waren wir in Shanghai (Anm.: 2005). Wir waren da beim Battle of the Year, haben eine Show und auch die Jury gemacht. Shanghai muss man auch einfach mal sehen, ist zwar nicht mein Essen dort, aber muss man gesehen haben. (lacht)

Dann war ich auch noch in Japan letztes Jahr, die Tanzszene dort ist riesig und die Leute sind supernett. Ich glaube es gibt keine besseren Organisatoren auf der Welt als die Japaner. Die organisieren alles so perfekt, da gibt’s keinen Stress.

Unter anderem waren wir in Tunesien, war auch supergeil. Dann waren wir noch in Korea.
In Frankreich sind wir sehr oft. Europa haben wir, glaube ich, komplett abgegrast. In Amerika, in Portland waren wir und danach dann noch für ein paar Wochen in L.A.

Amigo: Tanzen verbindet ja. Wir sind wirklich weltweit als eine der authentischsten Gruppen anerkannt und wir versuchen das an HipHop zurückzugeben, was wir bekommen haben. Durch unser Dance Unity Projekt versuchen wir ja auch den Tanz nach vorne zu bringen und Japan, Frankreich und Deutschland bzw. Europa zu vernetzen.

 

HHWS: Die so genannte „Integrationspolitik“ ist momentan in aller Mund, viele Politiker wissen auf einmal Lösungen für die „Probleme“. Was haltet ihr davon? Ihr seit größtenteils selber Ausländer und habt in Berlin sicherlich eine Menge mitbekommen…

Mikel: Du siehst ja was wir machen. Wir treffen uns hier im Jugendhaus und unterrichten hier. Ich mache das für ein Honorar, ich verdiene dabei nicht Geld, ich mache das nur um den Jugendlichen was zu geben. Das, was man mir damals gegeben hat, das wollte ich jetzt weitergeben. Dadurch sind auch die B-Town Allstars entstanden und wir versuchen da auch wirklich was für die Jugendlichen zu machen. Man sieht ja, wir sind hier mitten in Wedding, ich kann die Kinder leider nicht jeden Tag unterrichten, aber ich kriege das schon mit, dass hier ringsherum viel Scheisse passiert. Und wenn ich was dazu beitragen kann den Kids was Positives zu geben mit Breakdance, dann mache ich das natürlich. Ich habe dadurch auch hier mit dem Haus der Jugend einen Verein gegründet, einen Jugend- und HipHop Kulturverein. Dadurch versuchen wir auch immer wieder Veranstaltungen hier in Wedding und auch in anderen Teilen Berlins zu machen, um das alles ein bisschen voranzutreiben. Das Problem ist so groß, dass wir auch nur einen kleinen Teil machen können. Aber so viel wie wir machen können tun wir auch und sind dafür auch jederzeit bereit. Aber wie gesagt, es ist auch schwer.

Ich versuche natürlich durch meine Jugendarbeit die Jugendlichen von Scheisse abzubringen, aber einer alleine kann nicht viel machen.

 

HHWS: Das Battle of the Year ist die größte Breakdance- Veranstaltung weltweit und durch harte Arbeit aufgebaut worden. Was haltet ihr vom BOTY?

Mikel: Was sollen wir davon halten – Battle of the Year ist scheisse..(lacht). Nein, das Battle of the Year gab es schon bevor ich angefangen habe zu tanzen und ich finde das ist eine super Veranstaltung. Für viele sieht das wie eine leicht kommerzielle Veranstaltung aus, für mich aber gar nicht. Ich fahre da jedes Jahr hin um meine Freunde zu treffen. Alle die ich das ganze Jahr über nicht sehe treffe ich dort. Es ist eine geile Veranstaltung, deswegen gehen die vielen Leute da hin und deswegen gehe ich dort hin. Es ist Wahnsinn was das Battle of the Year Team in all den Jahren geschaffen hat. Uns hat das Battle of the Year auch viel gebracht und deswegen versuchen wir das auch zurückzugeben. Sobald wir im Fernsehen oder irgendwo unterwegs sind um irgendwas zu promoten, dann promoten wir automatisch das Battle of the Year mit. Wir haben die schon immer unterstützt und werden das auch weiterhin machen.

Amigo: Das ist eine wirklich gute Veranstaltung. Die unbekannteren Leute sollten da erstmal hin. Viele Tänzer arbeiten zum Battle of the Year hin. Wir haben auch diesen Weg durchgemacht. Es gibt wahrscheinlich keine Gruppe die das Battle of the Year so oft gewonnen hat und so gut präsentiert hat. Aber mittlerweile wollen wir wohl nicht mehr beim Battle of the Year teilnehmen um der neuen Generation die Chance zu geben sich zu präsentieren und weiterzukommen.

Das Battle of the Year ist weltweit die größte Breakdance Veranstaltung. Einerseits ist die Größe gut, andererseits auch nicht.

 

HHWS: Es gibt immer wieder Disses gegenüber Veranstalter und Jury des BOTY. Sogar Storm wurde schon gedisst. Was haltet ihr von dem mangelnden Respekt?

Mikel: Man muss einmal Jury gemacht haben um zu verstehen wie schwer es für eine Jury ist. Was das Battle of the Year angeht, die haben ja einen Ablauf. Die müssen dort nach einem Zettel bewerten, das wird dann ausgerechnet und dann ist das einfach so. Und es ist wirklich schwer für einen der in der Jury sitzt sich die Show anzugucken und dann zu bewerten. Man guckt sich das objektiv an und entscheidet dann. Das ist auch bei den Battles so wo man direkt mit Handzeichen entscheidet. Ich denke dass das Battle of the Year so weit fortgeschritten ist, dass sie wissen, wen sie in die Jury lassen und wen nicht. Dann sollte man die Jury Entscheidungen auch respektieren. Besonders gilt das für die teilnehmenden Gruppen. Was das Publikum sagt, das ist mir im Endeffekt egal, aber die Leute die teilnehmen, die wissen normalerweise wie das funktioniert und jeder der an so einer Veranstaltung teilnimmt, der sollte auch die Jury respektieren. Das ist ganz wichtig.

Im Publikum gibt’s auch viele die nicht so viel Ahnung davon haben, da macht einer einen Salto und manch einer würde dem dann schon 10 Punkte geben, wo ich nur sage: „Was hat ein Salto mit Breakdance zu tun?“
Ich bin immer down mit der Jury und fand die immer gut und ich fand auch das Jury System vom Battle of the Year cool.

Amigo: Das mit den Disses haben wir ja überall. Das sind oft irgendwelche Laien und wissen nicht was sie sagen. Die wollen sich oft dadurch bekannt machen, da sie selber nichts haben, durch das sie sich präsentieren können. Die reden schlecht über andere, können selber aber nichts. Respekt gehört als Künstler dazu. Wenn du Respekt haben willst, dann musst du Respekt geben.

Bei der Jury ist es immer so, dass einer der Arsch sein muss, es können nicht alle gewinnen. Von daher wird immer einer irgendwas sagen. Aber das hat auch wieder mit dem Respekt zu tun!

 

HHWS: Nachwuchsförderung. Ein weit dehnbarer Begriff. Inwiefern bringt ihr dem Nachwuchs was bei und wie wichtig ist das überhaupt für euch?

Mikel: Wie schon gesagt, das ist wichtig für uns. Wir waren gerade oben im Trainingsraum und ihr habt gesehen, von klein bis groß ist jeder dabei. Ich weiss halt dass Breakdance cool ist. Jeder Jugendliche sollte sich halt entscheiden und wenn einer Bock hat hier zu tanzen, dann bin ich derjenige der das unterstützt, weil ich der Meinung bin dass man den Jugendlichen was bieten muss. Alle die auf der Strasse rumhängen kommen nur auf doofe Gedanken. Deswegen ist es für wichtig, Workshops zu geben und Veranstaltungen wie Dance Unity zu machen um den Tänzern ein Forum zu bieten, damit sie sich mit etwas auseinander setzen können und ein Teil von etwas sein können.

Mit meinem Verein ist es z.B. so, dass ich an Schulen gehe und dort in dem Sportunterricht teilweise Tanzunterricht mache. Teilweise haben die schon gar keinen Bock mehr auf Sport. Also zu meiner Zeit war Sport der coolste Unterricht. Und heute gehen die nicht mal mehr in die Sporthalle. Deswegen haben wir dann die Sache mit dem Tanzen im Sportunterricht angefangen. Uns ist die komplette Nachwuchsförderung wichtig.

 

HHWS: Die Idee mit dem Sportunterricht ist geil.

Mikel: Ja, und das funktioniert auch. Die Schüler gucken sich das an und sehen, dass der Lehrer gar nicht in dem Raum ist. Die meisten haben ja ein Problem mit dem Lehrer. Dann kommen die Schüler an und wir fangen an zu trainieren und auch wir haben zusammen Spass. Und dann kommst du das dritte oder vierte Mal hin und die Halle ist voll. Der Lehrer guckt dann nur noch und weiss gar nicht was er dazu sagen soll.

Wir machen auch Feste damit sich die Jugendlichen wieder trauen hier ins Haus der Jugend im Wedding zu kommen. Hier gab es teilweise solche Krawalle, dass die sich gar nicht mehr hierher getraut haben. Dann haben wir gedacht dass wir Veranstaltungen zu machen um den Jugendlichen zu zeigen, dass die ganzen Stressmacher hier nicht mehr sind und dass wir die auch nicht hier haben wollen.

Amigo: Irgendwann werden wir auch aufhören und damit diese Tanzkunst weiterlebt, muss man das weitergeben. Die B-Town Allstars hat ja der Mikel mit groß gezogen. Die Jungs lieben das Tanzen. Für uns ist das auch von Vorteil, weil wenn wir Tänzer erziehen können, dann geben wir alles. Wenn die Möglichkeit besteht, dann bauen wir die auch in unsere Shows ein um ihnen zu zeigen, dass sie ein Teil von uns und ein Teil der Kultur sind. Es ist ja nicht so dass wir denen was zeigen und die dann stehen lassen. Wir versuchen auch bestimmte Leute aus der Szene zu unterstützen. Das ist ganz wichtig. Each one teach one style! (grinst)

Alles was man weiß muss man weitergeben, da die Informationen nicht immer leicht zu bekommen sind.

 

HHWS: Ich habe immer wieder Kritik an der heutigen B-Boy Szene bzw. den jüngeren Tänzer gehört. Diese sollen den Grundgedanken des Breaken vergessen haben bzw. nicht mehr richtig tanzen. Wie seht ihr das?

Mikel: Es ist ganz wichtig dass die Tänzer auch tanzen. Aber ganz ehrlich, wo ich anfing zu tanzen habe ich anfangs auch nicht richtig auf die Musik getanzt. Es braucht einfach seine Zeit. Man muss sich damit auseinander setzen und dann versteht man auch die verschiedenen Sachen beim Breakdance. Das es geil aussieht wenn man auf den Beat tanzt und dass man sowieso auf den Beat tanzen muss. Es ist klar dass die jüngeren Tänzer sagen: „Wir verstehen die älteren Tänzer nicht, wir machen doch unsere krassen Moves…“ Aber mit der Zeit werden sie verstehen, dass wir doch Recht haben. So war es bei mir genauso.

Amigo: Also ich finde dass ein richtiges und falsches Tanzen nicht gibt. Diese Definition benutze ich nicht, denn dadurch teilt man wieder. Es gibt passendes und unpassendes Tanzen.

Es gibt jüngere Tänzer die das nicht verstehen und direkt mit Powermoves anfangen. Wir versuchen den Jungs eine Plattform zu geben damit sie das Ganze besser verstehen und damit umgehen können. Leider ist es so, dass sich viele von Videos und DVDs ernähren und Moves und Shows von Battlegewinnern genau nachmachen. Aber Sixteps, Toprocks und Styles, was den Charakter ausmacht, das geht leider verloren. Wir versuchen alles zu geben was wir haben und es auch verständlich zu machen warum das auch dazu gehört.

Es ist heute halt eine schnelle Kommunikation. Früher warst du auf den Jams, hast die Leute dort gesehen und dir deine eigene Meinung gemacht. Du hast dich inspirieren lassen und die Sachen, die du gesehen hast, versucht später nachzumachen. Aber du hast die ja nie genau nachgemacht, sondern weiterentwickelt, und dadurch wurdest du kreativ. Heutzutage gucken die Leute nicht mal in den Kreis, sondern halten nur eine Kamera drauf, unterhalten sich nebenher und studieren dann zuhause was einer im Kreis gemacht hat. Das ist so wirklich passiert.

Die ganzen Tänzerportals leben ja von Videos. Die Leute wollen schnell checken wie ein Move geht.
Mal abwarten wie sich das Ganze entwickelt, ich hoffe mal nicht richtig Zirkus. (Lacht)

 

HHWS: Wie sieht die Szene in Berlin aus b-boymäßig?

Mikel: Mager, würde ich mal sagen. Ich war vor zwei Wochen auf einem Breakdance Event hier in Wedding und da waren 6 Gruppen. Es gab eine Zeit, wo es mehr Gruppen gab. Im Moment gibt es mehr Einzeltänzer in Berlin und weniger Gruppen, aber wir versuchen das zu ändern. Wir haben eine Szene die gute Tänzer hervor bringt, teilweise aber die meisten Solotänzer. Ok, da spricht auch nichts dagegen, es gibt auch genug 2 vs 2 Contests und so, das können die alles machen. Zu meiner Zeit gab es nur Gruppen, jetzt ist es ein bisschen andersrum, aber es geht, es passt schon so wie es ist.

Amigo: Jeder trainiert  auch dort wo er wohnt, hier im Wedding kommen z.B. die aus Wedding und Mitte. Einmal in der Woche treffen wir uns alle in Zillerheim. Der Laden wird von allen Berlinern B-Boys gut besucht. Es ist aber leider nicht so, dass sich alle gut miteinander verstehen. Jeder hat auch andere Ziele im Kopf.

Wir versuchen die Szene zusammenzubringen indem wir Sessions machen. Wir haben in Düsseldorf die Circle Sessions gemacht, das lief dort ziemlich gut und das wollen wir jetzt in Berlin auch machen. Weitere Events sind noch in Planung.

 

HHWS: Amigo, du bist auch für deine Locking und Popping Künste bekannt. Wie wichtig sind dir diese Tanzstile?

Amigo: Für mich sind das in den Urban Dances eine der wichtigsten Tanzstile. Durch die beiden Tanzstile lernst du, wie du mit deinem Körper umgehen kannst. Ich habe über die Jahre hinweg gelernt, dass Locking oft sehr einfach sein kann. Aber der Groove macht das aus. Viele Tänzer tanzen Locking ohne den Groove und das macht dann alles kaputt und sieht so steif aus. Daher lege ich sehr viel Wert darauf, dass man den Groove hat, das gewisse Etwas.

Beim Popping lernst du auch die Körperbeherrschung und wie du deine Muskeln einsetzt. Nach einer gewissen Zeit bekommst du auch das Gefühl wie es ist, wenn du wirklich unmenschlich rüberkommst. Das ist beim Popping auch wichtig. Man lernt auch jeden Tag dazu, was für Illusionen man machen kann. Das Popping ist so tief und reich an Stilen.

Es ist als Tänzer wirklich schwer B-Boying, Locking und Popping auszuüben.

Ich bin einer wenigen die das Ganze schon frühzeitig angefangen haben und mittlerweile merke ich schon, dass es mich echt tänzerisch weitergebracht hat. Als Tänzer müssen die Grundschritte der beiden Sachen gelernt sein! Auf jeden Fall! Ich kann es nur jedem raten!

 

HHWS: Was habt ihr für die Zukunft geplant? Wird es mal eine Flying Steps DVD geben?

Mikel: Wir haben für uns eine Art Stichwort: „Welcome to the next level.“ Das soll unser Stichwort sein für die nächste Zeit. Wir haben das teilweise gemacht mit unseren Theatershows, wir haben Shows wo wir nicht nur mit Bällen tanzen sondern auch mit Tischen, Stühlen, quer durch den Garten halt. Wir haben mit so einer Kombination letztes Jahr auch das Red Bull Beat Battle gewonnen, das war in London. Dieses Jahr verteidigen wir unseren Titel, wir werden uns also wieder was Neues überlegen.

Die Zukunft von Flying Steps wird so aussehen, dass wir noch einige Jahre in Shows tanzen werden, dass wir versuchen werden immer neue Sachen zu kreieren und auch dass in Deutschland die Theaterszene aufwacht und sieht, dass beim Breakdance einiges geht. Breakdance muss langsam als Tanzkunst angesehen werden.

Wir haben jetzt erstmal eine coole Promo-DVD zusammengestellt, welche wir an Agenturen rausschicken. Ich denke wir werden noch ein bisschen Material sammeln, wir haben schon super viel. Eine DVD ist jetzt nicht geplant, aber das ist eine gute Idee…

Amigo: Unsere Zukunft sieht auch sehr bunt aus. Crazy B macht ja Shok Muzik, Mikel macht hier seine sozialpädagogischen Sachen, ich habe die Dance Unity mit einem Freund aus Düsseldorf gegründet, wir veranstalten jedes Jahr eine Meisterschaft und laden Pioniere des Tanzes ein, welche auch Workshops geben. Seit zwei Jahren machen wir das und auch ziemlich erfolgreich. Am 13.10. geht’s wieder los!
Vartan hat ja eine Bar aufgemacht. Wir sind immer noch alle am Start und werden weitermachen mit dem Tanzen.

Eine unserer größeren Projekte ist eine Theatershow, die wir jetzt auf die Beine stellen. Wir werden demnächst auch einen Shop, mit Onlineshop, eröffnen.

 

HHWS: Vielen Dank für das Interview. Einige letzte Worte oder Grüße….

Mikel: Haut in die Socken, rockt weiter. Ich freue mich wieder aufs Battle of the Year und…Rock on!

Amigo: Ich grüße alle Tänzer und alle die mich kennen. Als Message kann ich nur sagen: Bleibt eurer Kultur treu. Ich tanze seit 20 Jahren und habe erst spät gemerkt, dass ich meine eigene Kultur nicht in Breakdance eingebunden habe. Ich will HipHop und meine Volkstänze zusammen bringen und nach Außen was Neues zeigen.

Und zeigt eure Persönlichkeit, seid keine Kopie von irgendjemandem!