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DJ Marius No.1

Marius No.1 aus Hamburg ist allen Leuten, die sich schon länger mit Hip Hop beschäftigten sicher ein Begriff und alle die sich heutzutage auch im Underground auskennen, kennen Marius auch. Der ehemalige DJ und Produzent von Cora E hat sich nicht nur sehr früh einen Namen durch seine Musikproduktionen gemacht, sondern auch durch seine unzähligen DJ Sessions auf den Jams und in den Clubs des Landes.

Er ist eine Person, die Hip Hop in seiner rauen, ursprünglichen Form bevorzugt und der nichts von marketingstrategischen Schachzügen hält. Um alle Fäden in der Hand zu behalten, hat er auch ein eigenes Label – Chiefrocker.

http://www.chiefrocker.de/


 

HHWS:Erzähl uns mal was zu deinen Anfängen. Wie bist du zum Hip Hop gekommen und was hast du früher alles so gemacht?

MARIUSNO1: Ich habe als erstes Boogie getanzt. Ich hatte da was im Fernsehen gesehen, so mit weißen Handschuhen und so, eigentlich auch nur eine ca 20 Sekunden Sequenz, dass hat mich sofort gepackt. Ich wollte sowas auch können, dann über das Tanzen kam ich mit der Musik in Berührung. Habe mir Platten gekauft und 2 Plattenspieler, um mir meine eigenen Tanz-Tapes zusammen zu stellen. Dabei habe ich auch noch von 83 bis 85 gemalt, bis ich ab ca 86 nur noch Musik gemacht habe und mit Tanzen und Graffiti aufgehört hab‘.

 

HHWS: Die Produktionen vor 10 Jahren waren durch die Technik auf einem anderen Stand als heutzutage sind. Wie produzierst du und welches Equipment benutzt du?

MARIUSNO1: OK, was war vor 10 Jahren? 1995 habe ich das erste Harddiscrecording System gekauft, was unter 20.000Euro zu haben war, Soundscape hieß dass. Vorher habe ich ausschließlich mit Samplern gearbeitet. Da war der Computer häufig Nebensache. Die Instrumente von früher aufzuzählen wird nicht viel bringen, weil heutzutage alle nur noch von Software sprechen. Es ist aber nicht dasselbe.

Stell Dir dass so vor, heute fahren alle Automatik und niemand könnte mehr schalten. Sicher brauchen die wenigsten dass Wissen, was ein Getriebe ist und wieviele Gänge das Auto hat, um von Hamburg nach Berlin zu fahren, aber wer es weiß ist sicher im Vorteil. Ich arbeite heutzutage mit dem Besten aus beiden Welten. Einerseits habe ich Sampler, wie meine SP1200 und die MPC60 und so weiter, aber aufnehmen tue ich auch im Computer, Cubase ist da meine Wahl und Wavelab zum editieren.

 

HHWS: Deine Trennung von Cora E. kam durch ihren Entschluss in die Majorleague einzusteigen. Du wolltest diesen Schritt nie tun und hast es bisher auch nicht. Wie sieht deine Meinung gegenüber den Majors aus?

MARIUSNO1: Cora hat ihren Deal einfach viel zu früh abgeschlossen, weiterhin hatte sie kein gutes Management, daher war für mich schnell klar, dass ich nicht weiter für sie Musik machen würde. Wieder ein Vergleich: Ich war immer der Jocky von Cora, die ein fantastisches Rennpferd zu der Zeit war, als alle noch auf Ponys unterwegs waren. Als die Rennen anfingen lukrativ zu werden und die Preisgelder stiegen, kamen auf einmal viele Schlangen bei Cora an und haben sie davon überzeugen können, dass sie mich als Reiter nicht braucht. Major Firmen sind klasse, solange sie uns Künstlern viel Geld bezahlen.

Heute ist für viele wenig Geld schon viel Geld. Da haben es die Majors leicht.

Wer berühmt werden will muss auch heute zum Major gehen, wer Musik machen will, bleibt Indi.

 

HHWS: In den Interviews auf deiner Website vergleichst du Hip Hop immer wieder mit Wasser, das im Laufe der Zeit immer flacher wird. Wie flach ist das Wasser deiner Meinung nach heutzutage?

MARIUSNO1: Ohh, gut, dass Du fragst, dass Wasser steigt wieder, soviel steht fest. Vielen steht es mitlerweile bis zum Hals und sie stellen fest, dass es besser gewesen wäre, schwimmen zu lernen, als die Zeit dazu war. Aber es ist geradezu unmöglich für die Flachwasser Rapper ihre Nichtschwimmer-Crowd ins Tiefe zu locken, wenn sie selber nicht mal den Freischwimmer haben…

Mein Hip Hop Label CHIEFROCKER will keine Schwimmschule sein, wie viele andere Labels, sondern richtet sich eher an erwachsene Kampfschwimmer. Hierfür bin ich sehr dankbar.

 

HHWS: Was macht für dich denn einen guten MC bzw. ein gutes Lied aus?

MARIUSNO1: Wenn man hört, dass Musik und Stimme eine Einheit ist und man sich das Eine ohne das Andere nicht vorstellen kann, spätestens dann handelt es sich um einen guten Song. Kann ich nach dem erneuten Hören eines Titels immer wieder neue Dinge finden, die mir vorher entgangen sind? Wenn ich nach dem Hören nicht dümmer bin als vorher, dann handelt es sich vielleicht um einen guten Text, oder er ist in einer Sprache, die ich nicht verstehe 😉

Ach ja, oder es steht darunter „Produziert von Marius No.1“, dann kann man sich immer sicher sein.

 

HHWS: Du warst an der Entwicklung von Hip Hop in Deutschland beteiligt.
Viele verdienen sich jetzt durch Hip Hop ihren Lebensunterhalt ohne an der Entwicklung beteiligt gewesen zu sein. Wie siehst du das?

MARIUSNO1: Wer seit 5 Jahren bei Mc Donalds arbeitet sollte nicht so tun als ob er das ganze Fast Food erfunden hat.

Auch wenn er vielleicht gerade die meisten Burger verkauft. Die Medien machen heute immer gerne aus dem „meist verkauftesten“, den Besten.

Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die so zu den „Besten“ werden, die Props wieder zurückgeben. Viele haben an der Entwicklung der hiesigen Szene mitgeholfen, da sich einen Orden an die Brust heften zu lassen, ist mein Ding nicht…

 

HHWS: Was hältst du von der heutigen Hip Hop Szene in Deutschland? Findet da nicht eine Amerikanisierung statt?

MARIUSNO1: Hip Hop in Deutschland ist schon sehr cool. Wir sollten nur nicht allen, die laut Hip Hop schreien, glauben, dass sie überhaubt wissen, was wir unter dem Wort verstehen.

Hip Hop ist eine amerikanische Erfindung, das steht ja wohl ausser Frage. Hierzulande wie überall auf der Welt. Die Frage ist nur, wie lange will ich kopieren, bis ich mich traue auf meine eigene Stimme und Eingebung zu hören und wenn ich in mir was höre, wie lange will ich warten, dem zu vertrauen, was da zu mir spricht?

Dass alte creator vs imitator Spiel…

 

HHWS: Sag bitte was zu folgenden Begriffen:

Turntablism: ein großes Wort, dass selten hält was es verspricht.
Hip Hop: ein noch größeres Wort, dass die Summe der Hoffnungen derer ist, die es noch benutzen.
MC: MusikKassette, wer kennt sie noch?
Geld: muss man machen
Underground: wo sich alle treffen, die Stars von morgen, die von gestern und wir.
Hamburg: das Tor zu (meiner) Welt.
Gangster Rap: muss man machen.

 

HHWS: Wie wichtig sind dir die Grundtechniken des DJ’ing?

MARIUSNO1: Ohne zu sagen, was dass deiner Meinung nach ist, kann ich dass nicht beantworten.
Ich habe sie drauf, glaube ich. Ohne Video-Q-Bert-Tutorial.

 

HHWS: ITF und DMC. Was hältst du von den Battles?

MARIUSNO1: Beides veraltete Systeme, völlig nutzlose Titel, die am Ende des Tages niemanden Intressieren. Am Anfang war ich sehr daran intressiert, seit mehreren Jahren dreht sich das aber leider im Kreis.

Seitdem gehe ich da nicht mal mehr hin. Mut zur Lücke, wa?

 

HHWS: Der Nachwuchs soll über die Ursprünge und Enstehung von Hip Hop unterrichtet werden.
Was hältst du davon und machst du das?

MARIUSNO1: Wenn der Nachwuchs sich nicht selber um die Wurzeln kümmern will, wird aus dem ganzen Projekt leider nix. Ich gebe keine Nachhilfestunden in irgendwas. Ein Hip Hopper erfindet sich selber, dabei kann niemand helfen.

Wer nicht fragt bleibt dumm.

 

HHWS: Der DJ bzw. der Produzent ist eigentlich für die Musik verantwortlich.
Der Rapper bzw. MC bringt die Texte, ist aber trotzdem die Person, die die Props bekommt.
Ist der Stellenwert des DJ’s also nicht so hoch wie er sein sollte?

MARIUSNO1: Kommt drauf an, wen Du fragst.
Ich arbeite nur mit Menschen zusammen, die nicht so denken, wie Du es gerade gesagt hast. Es steht aber auch häufig jemand im Vordergrund, der nicht die Fäden zieht.

 

HHWS: Was für Projekte sind bei dir gerade am Laufen oder kommen in nächster Zeit?

MARIUSNO1: Ich habe gerade eine neue EP auf dem Markt, will heißen in dem Plattenladen unseres Vertrauens. Die heißt „Los Tracks“ und ist mit folgenden Features: Lootpack, Bukue One, DJ Novoxxx, Sharp und so weiter.

Alles wichtige darüber kannst Du auch auf www.chiefrocker.de nachlesen. Falls die Platte nicht vorrätig ist, würde es mich freuen, wenn ihr mal nachfragt, weil die Plattenhändler auch manchmal von ihren Kunden etwas Nachhilfe vertragen können.

Aber nochmal zur „Los Tracks“ EP: Lootpack sind schon immer Helden von mir gewesen, Stonesthrow ist ein geniales Label, Bukue One war schon auf der Marius No.1 EP „The Record Player“ (CHIEFROCKER CR007) gefeatured, DJ Novoxxx ist ein neuer Produzent, der sehr abstrakt, dabei aber trotzdem auf den Punkt ist, musste hören… Sharp ist ein Oldschool Writer aus NYC, der hat früher das „Wildstyle“ Graffiti zum Film gemalt. Ich habe mit ihm ein Graffiti Hörspiel aufgenommen, was direkt von 82 hätte sein können. Zeitlos.

 

HHWS: Vielen Dank für das Interview.