Dare

Seit 1986 widmet sich DARE aus der Schweiz seiner Leidenschaft, dem Writing. Bekannt für seine stylischen Pieces und seine Reiselust, welche ihn von L.A. bis nach Montpellier brachte, ist er noch heute down mit Graffiti. 2002 hat er, nachdem er zig Ausstellungen beiwohnte, einen Katalog mit einer Auswahl seiner Leinwände veröffentlicht: Dare on Canvas. Seit kurzem hat er auch 2 verschiedene Postkarten Sets veröffentlicht (twelvebox-one und twelvebox-two) mit jeweils 12 verschiedenen Leinwandmotiven, zu bestellen bei www.molotow.de

http://www.dare.ch/


 

HHWS: Erzähl uns bitte etwas zu deinen Graffiti- Anfängen. Wie bist du zum Graffiti gekommen? Wie war es Ende der 80er in der Schweiz?

DARE: 1986 war ich mitten in meiner Ausbildung zum Schriftenmaler und hörte Rockmusik von U2 bis Marillion, hatte sozusagen mit HipHop oder dem Writing nichts am Hut, bis zu dem Tag als mich jemand fragte ob ich einen Style in deren Schlafzimmer sprühen könnte. Buchstaben lagen mir durch meine Ausbildung sehr nahe, jedoch das Werkzeug Dose war Neuland. Also zog ich um die Häuser und versuchte mich mit irgendwelchen Worten an verschiedenen Mauern, nichts ahnend von einer Writing-Kultur, welche in Basel gerade am entstehen war. Erst im Laufe der Zeit checkte ich, dass es da noch andere gab und dass diese Namen haben. Ende der 80er war es in der Schweiz etwa so wie in Deutschland oder anderen Ländern Mitteleuropas. Es war die Zeit wo man noch seine Fatcaps selber gebastelt oder die Skinnycaps von Möbelpolitur Sprays geklaut hat. Die Dosen waren schlecht und als wir um 1989-1990 Sparvar in schweizer Verkaufsregale bekamen, war dies schon ein Riesensprung in Sachen Technik und Malspass.

München und Paris waren meine ersten internationalen Eindrücke und diese haben dann auch bestimmt meine Anfänge geprägt. Magazine gab’s zu dieser Zeit, ausser dem 14K kaum. Also gab es auch nur wenig woran man sich hätte orientieren können. Ein Grund für mich schon sehr früh herumzureisen.

 

HHWS: Crazy von der CFC hat in einem Interview mal erzählt, dass B-Boys der ersten Stunde in der Schweiz oft „recht toughe Typen“ waren. Wie war das im Graffiti Bereich? Gab es damals überhaupt schon diesen Hip Hop Unity Gedanken?

DARE: Dies kann ich schlecht beantworten, da mich B-Boys oder HipHop damals nicht interessiert hatten. Unter den Writern gab es zwar Kämpfe, diese fanden aber an der Wand statt. Es waren sozusagen Crewbattles, welche wir (COMIC7 und ich) eigentlich immer verloren hatten. Die anderen Jungs in meiner Stadt kamen durch HipHop wahrscheinlich auch schneller an Filme wie Style Wars oder Beat Street und hatten so den Vorteil zu Wissen worum es geht.

 

HHWS: Wohin hat dich das Writing im Laufe der Zeit alles gebracht?

DARE: Wenn Du die Reisen damit ansprichst, dann in die hintersten Winkel einer Vielzahl von Städten und Ländern dieser Welt. Orte, welche ich mit Bestimmtheit nie gesehen hätte, wäre ich nicht als Writer unterwegs gewesen. Dafür musste ich 3 Mal nach New York reisen um endlich auf dem World Trade Center zu stehen, weil ich vorher nur den Wänden anstatt den Sehenswürdigkeiten nachgerannt bin. Natürlich kann ich davon berichten, dass ich 1992 zwei Wochen in der South Bronx lebte und New York so kennen gelernt habe, wie es in keinem Reiseführer steht. Egal in welcher Stadt, es waren Zeiten welche ich so nie missen möchte und vor allem entstanden so auch Freundschaften, welche sehr weit über das Writing hinaus gehen. Wenn ich also darüber schreiben soll was mir das Writing im Laufe der Zeit gebracht hat, dann vor allem eine zweite Familie, deren Mitglieder sich in den Crews finden.

 

HHWS: Es gibt doch sicherlich eine interessante Geschichte zu einer deiner Reisen, erzähl uns bitte eine davon.

DARE: Eine Geschichte von vielen ist: Ich wollte mit dem Nachtzug von Basel nach Hamburg um dort in den Zug nach Naestved umzusteigen, wo ich mit CMP, SPIN 05 und SWET verabredet war um eine Wand zu malen. Als Nachtmensch fällt es mir immer sehr schwer um Mitternacht einzuschlafen, sodass ich noch sehr lange wach in meinem Schlafwagen lag. Irgendwann auf halber Strecke bin ich dann wohl eingeschlafen und als ich wieder aufwachte, hatte ich nicht nur meinen Anschlusszug verpennt, sondern befand mich inmitten eines Yards in Hamburg mit dem Reisegepäck voller Dosen. Die Taschen waren verdammt schwer und für einen kleinen Moment ging mir so durch den Kopf was ich damit in dieser Umgebung alles anstellen könnte. Nach etwa 20 Minuten wurde ich vom Putzpersonal entdeckt und dann mit so einem Elektromobil durchs Yard gefahren, wo man mich in einen leeren Zug setzte, welcher mich in den Hauptbahnhof fahren sollte, sodass ich mit Verspätung weiter nach Dänemark reisen konnte. Jedoch ohne meine Spuren in Hamburg zu hinterlassen.

 

HHWS: Viele Writer differenzieren sich von der Hip Hop Kultur und sehen Graffiti als eigenständigen Bereich. Wie siehst du Graffiti in Bezug auf die Hip Hop Kultur?

DARE: Wenn man davon ausgeht, dass Writing Ende der 60er, Anfang 70er Jahre entstanden ist und dabei feststellt, dass die HipHop Kultur als solches erst Jahre später entstand, kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass ein Writer nicht unbedingt einen Bezug zur HipHop Kultur haben muss oder möchte. Ich selbst habe mich auch nie als einen Teil der HipHop Kultur verstanden. Natürlich bin ich ein Teil dieser Bewegung, wenn ich z.B. an einer Jam teil nehme. In meinem Innern bin ich jedoch Writer und bestimmt nicht HipHop. Dafür ist mir schon die Musik, der ganze Lifestyle noch immer zu fremd.

 

HHWS: In welchen Crews bist du? Wie kamen die Crews zusammen?

DARE: TWS The Wild Side, S2R Styles 2 Remember und RDM Rock die Mama. Als Passiv-Mitglied schreibe ich ab und an noch FX, sehe mich da aber nicht als vollwertiges Mitglied, weil ich schon mal nicht alle Crewmitglieder kenne. Da die Crews für mich Familien sind und ich diese so auch durch stetigen Kontakt pflege, kann ich also eigentlich nur von 3 Crews sprechen. Diese sind über die letzten Jahre durch enge Freundschaften entstanden, so quasi auch um diesen Freundschaften einen längerfristigen Halt zu geben, da viele Crewmitglieder sehr weit voneinander entfernt wohnen.

 

HHWS: Auch auf deinen Leinwänden sieht man eigentlich immer einen direkten Zusammenhang mit Buchstaben. Wie wichtig sind dir die Letters?

DARE: Letters sind das Fundament meines Writer-Daseins. Wenn ich Landschaften oder Stilleben auf meine Leinwände malen würde, dann wäre dies als wenn Michael Schumacher mit dem Fahrrad an der Tour de France mitfahren würde. Also male ich auf Leinwand was mir am nächsten ist, und das sind und bleiben die Buchstaben.

 

HHWS: Was muss ein Piece haben um deiner Meinung nach gut zu sein?

DARE: Eigenständigkeit! Nicht viel mehr und nicht viel weniger.

 

HHWS: Viele Maler machen große Produktionen mit mehreren Beteiligten und komplizierten Konzepten. Was hältst du davon? Gehen dabei nicht die einzelnen Buchstaben in der Masse einer Konzeptwand unter?

DARE: Eine Konzeptwand soll ja eigentlich durch das Konzept bestechen und dabei muss sich der einzelne Writer in den Hintergrund stellen. Dies kann auch eine Herausforderung sein. Ich persönlich denke, dass es keine Konzeptwand braucht um eine gute Wand zu machen. Sehe mich auch nicht gerne mehr als einen Nachmittag für ein Piece an der Wand stehen. Die Erfahrung hat mir gezeigt, umso mehr Zeit ich an einem Piece verbringe umso verzockter das Ergebnis. Grundsätzlich ist aber auch zu sagen, dass ein gutes Konzept oder eine grosse Produktion nicht zwangsläufig gute Styles bedeuten.

 

HHWS: Der Nachwuchs kann sich ja überall Anregungen holen, unzählige Mags und Webseiten liefern genug Bilder zum lernen. Was denkst du darüber? Sollten die Writer wo schon länger dabei sind den Nachwuchs „unterrichten“?

DARE: Hätte ich in den 80er Jahren mehr Informationen gehabt, ich hätte sie mir genauso genommen. Das Internet oder die Mags sollten heute auch dazu dienen sich mit der Geschichte auseinander setzen zu können und nicht nur die Fotos zu Studienzwecken zu gebrauchen. Bücher wie z.B. „Sprüher im Rudel“ aus Stuttgart, um nur eines zu nennen, beschreiben sehr gut die Entwicklung einer Stadt und die Gedanken deren Writer, welche ihre Stadt geprägt haben. Solange sich der Nachwuchs bewusst ist, woher alles kommt und dass es ohne die Geschichte zu jeder Stadt wohl keinen Nachwuchs gäbe, solange ist es auch legitim sich inspirieren zu lassen. Ich glaube nicht, dass Writer welche schon länger dabei sind den Nachwuchs unterrichten müssen, auch wenn ich selbst vor Jahren 2 Schüler hatte.

 

HHWS: Wie definierst du deinen eigenen Style wenn man dich danach fragt?

DARE: Ich glaube nicht, dass man meinen Style explizit definieren kann. Ich male mit Outlines, durch die jeweiligen Überlappungen meiner Buchstaben erzeuge ich eine gewisse Räumlichkeit ohne grosse 3 dimensionale Effekte. Wichtig ist mir eine Logik und Harmonie im Schriftbild und in der Verbindung der jeweiligen Buchstaben. Der Wiedererkennungswert meiner Styles macht diese zu DARE-Styles. Also male ich nicht wirklich anderst als andere, deshalb ist es wohl an anderen meinen Style zu definieren.

 

HHWS: Was sagst du den Leuten die nichts mit Graffiti zu tun haben, warum du es nach so langer Zeit immer noch machst und nicht ein Leben führst, wie es viele andere in deiner Altersklasse leben?

DARE: Sein eigener Chef zu sein, davon leben zu dürfen was man am liebsten macht und kann, die Welt auf eine andere Weise zu sehen als in einem 2 Wochen Urlaub und dabei glücklich und zufrieden zu sein….. Dabei noch so einiges erreicht zu haben, wenn auch nicht im materiellen Sinne. So manch einer würde vielleicht auch mit mir tauschen wollen oder wäre zumindest glücklich darüber nicht in den Fesseln unserer Gesellschaft gefangen zu sein. Ich habe für mich persönlich begriffen, dass Gesundheit und die Zeit, mit die kostbarsten Dinge dieser Welt sind.

„To dare“ etwas wagen, sich etwas getrauen. Ich denke mein Name sagt schon einiges aus.

 

HHWS: Hast du etwas für die Zukunft geplant? Ein eigenes Buch hast du ja schon…

DARE: Ich habe wohl ein Buch zu meinen Arbeiten auf Leinwand 1998-2002 gemacht. Aber da waren ja auch noch ein paar Wände. Stellt sich nur die Frage ob dies die Welt braucht. Auf jeden Fall werde ich weiter intensiv an meinen Leinwänden arbeiten und meine Bilder ausstellen. Ich hatte meine letzten 19 Jahre nicht geplant und werde auch heute nicht damit anfangen. Es kommt was kommen muss!

 

HHWS: Vielen Dank für das Interview. Letzte Worte oder Grüße…

DARE: Grüsse an all jene, welche mich bis anhin begleitet haben.